Das Ass im Ärmel der Polizei

Mainz · Wenn die Polizei bei ihren Ermittlungen neue Hinweise braucht, kommen sie zum Einsatz: Die Fallanalytiker vom Landeskriminalamt (LKA) in Mainz - allgemein Profiler genannt. Doch wie genau funktioniert die "Operative Fallanalyse"? Ist das wirklich so spektakulär, wie man es aus dem Fernsehen kennt? Der TV hat in Mainz nachgefragt.

Mainz. Profiler sind wahre Genies. Ist ein Verbrechen passiert, brauchen sie nur einen entscheidenden Hinweis vom Tatort, eine Kleinigkeit - und schon wissen sie, wer der Täter ist, wie er aussieht und auch, was er zum Frühstück gegessen hat. Mindestens.So jedenfalls scheint es, wenn man Serien und Filmen wie "Profiler" oder "Das Schweigen der Lämmer" Glauben schenkt. Die Wahrheit allerdings ist nicht ganz so spektakulär wie es Drehbuchautoren und Schauspieler darstellen. "Eigentlich ist es eine sehr unaufgeregte Tätigkeit", sagt Hedda Holzhauer, die als Fallanalytikerin - das ist die eigentliche Berufsbezeichnung - arbeitet. Ihr Arbeitsplatz im Landeskriminalamt (LKA) in Mainz ist ein ganz normales Büro mit einem Schreibtisch und vielen, vielen Akten. "Wie im Fernsehen geht es hier nicht zu", sagt die 36-Jährige lachend.Holzhauer räumt direkt mit einem weiteren Missverständnis auf: Die in der Öffentlichkeit bekannte Bezeichnung "Profiler" sei gar nicht zutreffend, da das damit verbundene Täterprofil nur einen Teil ihrer Arbeit umfasse. "Das Ziel der ,Operativen Fallanalyse\' ist, ein Verbrechen möglichst genau zu rekonstruieren", erklärt Holzhauer. Dafür werden alle objektiven Daten, die die Ermittler zusammengetragen haben, benötigt - zum Beispiel Spuren oder die Anordnung herumliegender Gegenstände am Tatort. "Die Betonung liegt auf objektiv", sagt Holzhauers Kollegin, die 32-jährige Doreen Löffler. "Viele Zeugenaussagen gehören nicht dazu. Es sei denn, die Aussagen lassen sich mit objektiven Spuren belegen."Die Mischung machts

Wollen die Polizeidienststellen in Rheinland-Pfalz die Fallanalytiker zurate ziehen, fragen sie zunächst beim LKA an. Dann wird ein Verantwortlicher bestimmt, der fortan diesen Fall betreut und mit der Dienststelle Kontakt hält. Dieser Verantwortliche stellt die Akte und auch das Fallanalyse-Team zusammen. "Das sind etwa fünf Leute, unter denen jüngere und ältere Männer und Frauen dabei sein sollten", sagt Holzhauer. "Denn je unterschiedlicher die Gruppe ist, desto mehr Erfahrungen bringt sie mit."Die Teammitglieder besichtigen selbst den Tatort und arbeiten sich ein bis zwei Wochen lang mit den Akten in den Fall ein. "Dann erst beginnt die eigentliche Arbeit: Wir setzen uns eine Woche lang zusammen und arbeiten intensiv an der Rekonstruktion des Falls", sagt Löffler. Experten aller Art werden bei Bedarf hinzugezogen: Rechtsmediziner, Psychologen, Gentechniker oder die Spurensicherung. Mit einer speziellen Auswertemethode der Daten rekonstruiert das Team schließlich die Tat in chronologischer Reihenfolge. "Am Anfang denkt man immer ,Oh, das wird schwer!‘", sagt Löffler. "Aber am Ende können wir oft scheinbare Widersprüche relativ sicher erklären. Das Tatgeschehen wird klarer, man hat richtige Aha-Effekte."Hoher Aufwand

Aus dieser Rekonstruktion wiederum kann man Rückschlüsse auf den Täter und sein Motiv ziehen. Je nach Spurenlage lassen sich so beispielsweise körperliche Attribute, die sexuellen Vorlieben oder auch psychische Probleme des Täters eingrenzen. In vielen Fällen können die Fallanalytiker Hinweise geben, die zur Ergreifung des Täters führen. "Aber auch nicht immer", stellt Löffler klar und fährt fort: "Und auch diese Rückschlüsse sind längst nicht so genau, wie Fernsehen und Kino es suggerieren. Sie müssen nicht unbedingt zum Täter führen." So kann man zum Beispiel kein genaues Alter des Täters benennen, sondern es nur grob eingrenzen - etwa wenn ein Täter aufgrund der Beweislage zwischen 20 und 40 Jahre alt sein müsste. "Letztendlich jonglieren wir nur mit Wahrscheinlichkeiten", sagt Holzhauer.Die Arbeit, die hinter der Analyse steckt, ist immens. "Die Fallanalyse kann mit Vor- und Nachbereitung mehrere Monate in Anspruch nehmen", sagt Holzhauer. "Sie wird daher nur bei schwerwiegenden Verbrechen vorgenommen." Die Fallanalytiker können im gleichen Zeitraum wie die Ermittler arbeiten, aber auch zehn, 20 oder gar 30 Jahre später. Doch egal, ob der Fall nun jung ist oder länger zurückliegt: "Die intensive Auseinandersetzung mit den Verbrechen ist eine enorme psychische Herausforderung", sagt Löffler. "Aber wenn das Team gut funktioniert, kann man das auch gut verarbeiten."volksfreund.de/krimispecial

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