Das Ende des Neubeginns - Trier wird sich von Theaterintendant Karl Sibelius trennen

Trier · Mit großen Vorschusslorbeeren wurde Karl Sibelius, Paradiesvogel und Querdenker, als Theaterreformer in Trier empfangen. Nun will ihn die Stadt davonjagen. Dabei steht das Gutachten zur Finanzmisere des Hauses noch aus.

Trier. Genau das, was passiert ist, wollte Karl Sibelius auf gar keinen Fall mehr haben. In Interviews betonte er als designierter Generalintendant immer wieder, er wolle weg von dieser Finanzdiskussion. Die Kunst solle im Mittelpunkt stehen. Er wolle ein "Ermöglichertheater". Eines, das viel wagt. Das die Leute auch aus den Dörfern anlockt und über die Grenzen der Region hinaus bekannt ist.Er sollte frischen Wind bringen


Sibelius sollte Chef einer neuen Theateranstalt öffentlichen Rechts werden, die nie gegründet wurde, er sollte einen Theaterneubau begleiten, den es nun niemals geben wird, er sollte frischen Wind durch die muffigen Theaterflure wehen lassen, das Publikum verjüngen und das Haus von jenem Abgrund wegführen, vor dem es jahrelang gestanden hatte. Doch dauerte es kein Jahr, bis erneut über eine Theaterschließung debattiert wurde, bis die verhasste Finanzdiskussion unter seiner Intendanz zum zentralen Thema wurde - und zu seinem Verhängnis: Die Tage des Intendanten in Trier sind gezählt. Der Stadtvorstand will - das gab Oberbürgermeister Wolfram Leibe am Montag bekannt - nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten. Der Stadtrat muss der Trennung von dem Österreicher am 17. November noch zustimmen. Eine Umfrage unter den Fraktionen zeigt, dass er dies tun wird, selbst wenn es teuer wird - läuft der Vertrag doch noch bis 2020. Wie konnte es so weit kommen?
2015 schrieb das Haus 1,3 Millionen Euro Miese. Gründe wurden viele genannt: Von den 1,6 Millionen, die Sibelius zur freien Verfügung zu haben glaubte, seien zu Beginn seiner Amtszeit nur noch 250 000 Euro übrig gewesen. Den Rest hatte sein Vorgänger Gerhard Weber offenbar schon verbraucht. Auch war der Tariflohn gestiegen, das Ensemble konnte wegen vieler Überstunden weniger spielen, das Kindermärchen wurde seltener aufgeführt. Zudem sahen in der vergangenen Spielzeit so wenige Menschen wie nie die Aufführungen des Ensembles: Nur 79 452 Zuschauer kamen - 19 Prozent weniger als zuvor.
Als sich im Juni abzeichnete, dass 2016 erneut 1,3 Millionen Euro fehlen, schritt Oberbürgermeister Wolfram Leibe ein und verlangte, dass die 2015 abgeschaffte Stelle des Verwaltungsdirektors wieder eingeführt wird. Bis der neue Finanzchef übernimmt, sollte Kulturdezernent Thomas Egger Sibelius kontrollieren und dafür sorgen, dass es nicht noch schlimmer kommt.
Doch es kam noch schlimmer. Seit Anfang Oktober wühlt sich der neue Verwaltungsdirektor Herbert Müller durch die Bücher des Trierer Theaters und stößt fast täglich auf Fehler und unverbuchte Honorare. Auf mehr als 2,3 Millionen Euro ist das Minus 2016 gewachsen. Ursache der Finanzmisere seien vor allem Spielpläne, die einen verstärkten Einsatz von Gästen erforderlich machten: Die Honorarkosten explodierten.
Dass dies so lange niemandem auffiel, erklärte Müller auch damit, dass es am Theater keine Software gebe, die Budgetüberschreitungen erkennen lässt. Leibe hingegen betonte am Montag, dass die Software in 39 von 40 städtischen Ämtern kein Problem sei. Daran liege es nicht.
Für Leibe steht schon jetzt fest, dass Sibelius den Anforderungen an einen Generaldirektor nicht gerecht geworden ist. Dabei soll eine Rechnungsprüfung noch offiziell klären, wer die Verantwortung für das Finanzdesaster trägt. Am 15. November wird der Bericht dem Rechnungsprüfungsausschuss vorgelegt. Dann klärt sich wohl auch, wie hoch die Mitschuld von Kulturdezernent Thomas Egger ist. Bisher hat dieser seinen vielfach geforderten Rücktritt ausgeschlossen. Er wolle helfen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Am Montag sagte er sichtlich angeschlagen, er beantworte keine Fragen zu seiner Person.
In einem Schreiben an die Stadt hat der Intendant laut Egger angekündigt, sich an der Aufklärung beteiligen zu wollen. Sibelius Anwalt teilte am Montag für seinen erkrankten Mandanten mit, man sei erstaunt, dass bereits über Verhandlungsinhalte spekuliert werde - mit konkreten Details gespickt - ohne dass die Stadt mit seinem Mandanten gesprochen habe. "Wir können nur betonen, dass es ihm stets um das Wohl des Hauses, des Theaters Trier und seiner Mitarbeiter ging. Was mit dem Intendanten öffentlich passiert, ist in weiten Bereichen in höchstem Maße verleumderisch, rufschädigend und zerstört einen Menschen, ohne dass die Vorwürfe bislang in irgendeiner Weise konkretisiert wurden", schreibt Sibelius Anwalt Andreas Ammer.Meinung

Er muss gehen, aber nicht alleine
Es gibt keine andere Lösung nach allem, was passiert ist. Karl Sibelius kann nicht ans Theater zurückkehren. Er spaltet die Geister, wo eine gemeinsame Kraftanstrengung nötig ist. Und ohne Zweifel ist er als Intendant für das finanzielle Ergebnis seines Hauses verantwortlich. Allerdings ist er keineswegs alleine schuld! Es war Triers politische Schnapsidee, einem Künstler die finanzielle Verantwortung zu übertragen. Viel zu lange haben die Kulturpolitiker dabei zugesehen, wie er ins Messer läuft - mit Ambitionen, ohne Controller, ohne Kontrolle. Nicht nur Sibelius, auch Egger hat versagt und sollte gehen. k.demos@volksfreund.de

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