Das ewige Sorgenkind

Was machen eigentlich die Trie rer Antikenfestspiele 2010? Während andere Festivals seit Monaten bundesweit werben, gibt es bislang für Trier keinerlei öffentliche Ankündigung, keinen Kartenvorverkauf, keine Werbung. Offensichtlich stehen Programm und Finanzierung noch nicht. Es wird eng.

 Nicht mehr zu retten? Die Antikenfestspiele (hier eine Spielszene aus „Ödipus“ im Jahr 2007) sind auch nach der Absage der Saison 2009 nicht auf die Beine gekommen. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Nicht mehr zu retten? Die Antikenfestspiele (hier eine Spielszene aus „Ödipus“ im Jahr 2007) sind auch nach der Absage der Saison 2009 nicht auf die Beine gekommen. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Trier. Noch am 30. Juni hatte man den alten Trierer Stadtrat zu einer Sondersitzung zusammengetrommelt - obwohl der neue schon gewählt war. Das ungewöhnliche Prozedere galt in erster Linie der Rettung der Antikenfestspiele 2010. Das Argument: Nur durch einen Grundsatzbeschluss vor den Ferien sei es möglich, die weitere Planung so zügig unter Dach und Fach zu bringen, dass man frühzeitig im Herbst damit auf bundesweite Werbetour gehen könne. Bis zu den Herbstferien müsse das Produkt spätestens am Markt sein, empfahlen Tourismus- und Marketing-Experten. Das deckt sich mit der Erfahrung aus früheren, erfolgreichen Trierer Festspiel-Jahren.

Seither sind vier Monate vergangen, aber auch Anfang November sind die Festspiele weiter ein Buch mit sieben Siegeln. Fest steht nur, dass mit "Nerone" von Boito eine unbekannte Opern-Rarität im Amphitheater aufgeführt werden soll.

Im Stadtrat wird man unruhig. Die SPD hat eine dringliche Anfrage für die Kulturausschuss-Sitzung am heutigen Abend eingereicht, um herauszufinden, "aus welchen Gründen die Verzögerung der Planung, der Bewerbung und des Vorverkaufsstarts erfolgt". Und man will wissen, wann es endlich losgeht.

Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink will vor der Ausschusssitzung dazu keine Auskünfte geben. Er wolle nicht, "dass die Ratsmitglieder den Stand der Dinge aus der Presse erfahren". Intendant Gerhard Weber lässt immerhin durchblicken, dass das Theater "in der Lage ist, loszulegen". Zuvor sei aber die Politik am Zug.

Das Dilemma hat offensichtlich mit Geld zu tun. Der Stadtrat hatte im Juni Webers Konzept gebilligt, das die Bespielung des aufwendigen Amphitheaters mit einer Oper vorsah, dazu ein möglichst hochkarätiges Schauspiel einer Gast-Kompanie. In der Debatte hatte man den Brotkorb recht hoch gehängt: Man wolle "eine prominente, zugkräftige Besetzung", hieß es im Rat, und von einem "Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Festivallandschaft" war die Rede.

Nur das Budget sollte, von Extra-Mitteln für die Erstellung eines Werbekonzeptes abgesehen, das gleiche bleiben - jedenfalls der städtische Zuschuss. Doch die Hoffnung auf mehr Sponsorengelder scheint sich bislang zerschlagen zu haben. Im Gegenteil: Hartnäckig hält sich das Gerücht, ein langjähriger, größerer Sponsor sei auf dem Absprung.

Für große Namen reicht das Budget nicht



Mit dem vorhandenen Budget konnte sich Weber aber schon in den vergangenen Jahren jene großen Namen nicht leisten, die er diesmal noch viel dringender braucht, um trotz des exotischen Stücks die Ränge zu füllen und auswärtiges "Fachpublikum" anzulocken. Und für sein Lieblingsprojekt, ein spektakuläres und überregionale Aufmerksamkeit versprechendes Gast-Schauspiel aus Frankfurt, reicht es zweimal nicht.

Aber die Uhr tickt unerbittlich weiter. Im November sind wichtige Messen, auf denen man für die Festspiele werben könnte. Doch dafür wird die Zeit wohl nicht mehr reichen.

Meinung

Mut zur Konsequenz

Das Problem kam mit Ansage. Der alte Stadtrat war gewarnt, aber er wollte die Fortsetzung 2010 mit aller Gewalt. Für einen ausreichenden Vorlauf ist es im Grunde zu spät, zumal es selbst im optimalen Fall immer noch Wochen dauern wird, bis das komplette Festspiel-Paket auf den Tisch kommt. Und auch dann wird es nicht reichen für eine Regie- und Sängerbesetzung von hochklassigem internationalen Zuschnitt, wie sie "Nerone" bräuchte. Und wahrscheinlich ebenso wenig für das erhoffte und wünschenswerte Turbo-Gastspiel. Ein halbgarer Flop im Sommer 2010 wäre der Todesstoß für die Festspiele. Noch sind sie nirgendwo öffentlich angekündigt. Noch hätten Ausschuss und Rat die Chance, nach ruhiger Lage-Analyse ohne überregionalen Flurschaden abzusagen und den künftigen Kulturdezernenten zu beauftragen, für die Zeit ab 2011 ein tragfähiges, realistisch finanziertes, auf die Trierer Möglichkeiten ausgerichtetes, mit Mainz abgestimmtes Konzept zu entwickeln. d.lintz@volksfreund.de

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