Das ganze Leid aushalten

Luxemburg · Mit einem eindrucksvollen Stück von der Anfälligkeit der Macht überzeugte das Deutsche Theater Berlin in Luxemburg. Die Gäste spielten Aischylos Drama "Die Perser", die Regie führte Dimiter Gottscheff.

 Samuel Finzi als besiegter Perserkönig Xerxes. Foto: Theater

Samuel Finzi als besiegter Perserkönig Xerxes. Foto: Theater

Xerxes, der Name klingt wie ein Peitschenhieb aus dem Mund der beiden Boten, die dem persischen Volk und seiner Königin die Nachricht von der Niederlage der Perser gegen die Griechen überbringen. Xerxes - der königlich-allmächtige Stubenhocker, der aus seinem landgängigen Heer eine Seemacht hatte machen wollen und dabei seinen ganzen Kriegs- und Staatsapparat gegen die Wand fährt.

Vor letzterem steht der besiegte Perserkönig (Samuel Finzi) in Luxemburg mit nackter Brust, die rote Krawatte um den Hals und sieht aus wie eine Mischung aus Bodybuilder und Gangster. Hilfloses Pathos ist ihm geblieben, ansonsten ist er ziemlich durch den Wind. Und dazu taucht auch noch, als Schatten und Stimme des Gewissens, Übervater Dareios (Wolfram Koch) auf, der offensichtlich zu Lebzeiten nicht allzu viel von dem Sohn hielt, und beklagt die Missgunst des Geschicks und den Verlust der Macht. Die ist ohnehin gleichermaßen Lachnummer wie Tragödie. Als riesige Wand steht sie auf der schwarzen Bühne von Mark Lammert. Koch und Finzi möchten sich totlachen, wenn sie wie Schulbuben, die um den Platz auf der gemeinsamen Bank streiten, am Anfang die Wand mal zur einen, mal zur anderen Seite drücken und schließlich einen wilden Tanz darum aufführen.

Der persischen Königin Atossa (eindrucksvoll: Almut Zilcher) dient die Wand als Klagemauer und Hoffnungsträger. Mit seiner Tragödie "Die Perser" (472 v. Chr.) hat der Grieche Aischylos ein unverändert aktuelles Stück über die Fragwürdigkeit der Macht und die Ohnmacht des Verlustes geschrieben. Heiner Müller hat in seiner Übersetzung das Stück nicht nur vom Staub des 19. Jahrhunderts befreit. Er hat ihm seine ursprüngliche poetische Qualität zurückgegeben. In der Regie von Dimiter Gottscheff erzeugt der Kriegsbericht der Verlierer noch immer Schrecken und Mitleid, hier nicht zuletzt in der Gestalt der großartigen Margit Bendokat, deren Stimme als Chor Volkes Stimme verkörpert.

Im Vergleich zu Aischylos ist Gottscheff allerdings ein gutes Stück nüchterner und moderner. Macht wird ganz schnell zur öffentlichen Farce. Kollektives Leid hingegen bleibt das Leid des Einzelnen, weiß er. "Es kommt darauf an, dass man das ganze Leid aushält", klagt Königin Atossa.

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