Das Karussell dreht sich zum letzten Mal

Trier · Die freie Theater- und Kunstinitiative Karussell dreht zu ihrem Abschied aus Trier noch einmal so richtig auf. Mit Ausstellungen, Theateraufführungen, Partys und Konzerten liefern die Karussell-Macher beim Finale vom 21. bis 26. Juni eine große Werkschau.

 Prägnante Bilder: Der „Hungerkünstler“ nach Kafka. Foto: Karussell e.V.

Prägnante Bilder: Der „Hungerkünstler“ nach Kafka. Foto: Karussell e.V.

Trier. In den vergangenen Jahren hatte die aus der studentischen Szene hervorgegangene Künstlertruppe das Kulturangebot in Trier kräftig aufgemischt. Unkonventionelles Theater, Performance-Kunst, schräge Ideen und ein frisches Lebensgefühl formten einen ungewöhnlichen Mix, der zeitweise in einer ehemaligen Druckerei in der Zuckerbergstraße einen festen Standort fand.
Nachdem alle Versuche fehlgeschlagen waren, eine dauerhafte räumliche und strukturelle Lösung zu finden, löste sich das Karussell zunehmend auf. Dennoch gab es bis zuletzt herausragende Produktionen wie das "Tafel-Theater" in der Tufa.
Nun ist endgültig Schluss - aber mit einem Feuerwerk. 14 Events in sechs Tagen sind angesagt, als wollte Karussell den Trie rern noch einmal zeigen, was ihnen künftig entgeht. Und weil die Gruppe durchaus weiß, wie man sich in der Öffentlichkeit verkaufen muss, heißt das Programm "Brimborium und Tamtam".
Drei Ausstellungen sind in der Tufa zu sehen: Fotos von Christopher Bell, Artwork von Carolin Kuchinke und Illustrationen von Ina Worms. Dazu kommt ein Schmuck-Designshop - und mehrere Konzerte mitten im Austellungsambiente.
Drei Theaterproduktionen werden im großen Tufa-Saal aufgeführt: Die Geschichtsaufbereitung "Täterenkel" (21. Juni), die Assoziationen nach Kafkas "Hungerkünstler" (22. Juni) und das Erfolgssstück "Darf\'s noch ein bisschen mehr sein?", das in Zusammenarbeit mit der Trierer Tafel entstand (24. Juni).
Zu den durchschlagendsten Karussell-Ideen gehörte die "13 Kurze"-Reihe. Zwei Protagonisten trinken im festen Rhythmus Schnäpse und versuchen dabei, einen Philosophen zu verstehen und zu interpretieren. Das Saufen mit Tiefgang zog jeweils mehr als 100 Zuschauer an. Zum Finale hat sich das Duo Roman Schmitz/Till Reiners freilich eine Aufgabe vorgenommen, die weit komplexer ist als die bisherigen Interpretationen von Einstein, Adorno oder Jesus: Sie wollen das Wesen des Trierers erkunden. Ob dafür 13 Kurze ausreichen, lässt sich am 25. Juni live verfolgen.
So ganz wortlos wollen die Karussell-Fahrer denn doch nicht aus ihrer zeitweiligen Wahlheimat verschwinden. Lange haben sie sich abgearbeitet an der Trie rer Bräsigkeit und dem Misstrauen gegenüber Unbekanntem. So lange, bis sie sich ein Publikum erobert hatten. Führende Köpfe wie Schauspieler Immanuel Bartz oder Regissseur Roman Schmitz hätten vor Ort gerne etwas aufgebaut - aber Trier bot zu wenig Möglichkeiten.
Wie müsste die Universitätsstadt Trier sein, um kreative Köpfe zu halten und einer jungen Szene ein Zuhause zu bieten? Zur Beantwortung dieser Frage, die nicht nur die Kulturlandschaft betrifft, wollen die Karussell-Leute bei ihrem Abgang noch einen Beitrag leisten. Deshalb gibt es am 23. Juni eine große Podiumsdiskussion unter der Überschrift "Trier, deine Kreativen".
Die Zusammensetzung verspricht eine muntere Debatte: Die etablierten Trierer Kulturinstitutionen Theater und Tufa treffen auf die Kulturpolitik mit dem Trie rer Dezernenten Thomas Egger und dem Mainzer Kulturreferatsleiter Kajo Pieper.
Spannendster Gast dürfte Moritz Schönecker sein: Der 29-jährige gebürtige Trierer ist gerade Intendant des Theaterhauses Jena geworden - mit einem Leitungsteam, zu dem die Trierer Autorin Claudia Grehn (29), der Trierer Bühnenbildner Benjamin Schönecker (27) und Karussell-Mastermind Roman Schmitz gehören. Warum man nach Thüringen gehen muss, um als junger Trierer Theatermacher Erfolg zu haben - vielleicht lässt sich diese Frage ja beantworten.
Das Finale des Finales ist auch wieder typisch Karussell: Am 26. Juni wird nachmittags alles an Equipment und Ausstattung, was transportabel ist, auf einem Flohmarkt verhökert.
Infos und Uhrzeiten: www.karussell-trier.de

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