Das Leiden nachfühlen

Er malt mit Händen und Füßen: Kirchenmusikdirektor Viktor Scholz verwandelt Töne in konkrete Bilder. Und erfüllte somit die Pfarrkirche St. Martin in Schweich mit musikalischen Fantasien zur Passion Christi.

 Seit über vierzig Jahren liegt ihm „Der Kreuzweg“ in Händen und Füßen: Kirchenmusikdirektor Viktor Scholz. TV-Foto: Gerhard W. Kluth

Seit über vierzig Jahren liegt ihm „Der Kreuzweg“ in Händen und Füßen: Kirchenmusikdirektor Viktor Scholz. TV-Foto: Gerhard W. Kluth

Schweich. (gkl) Die Scholz'sche Einspielung des Kreuzwegs von 1967 war für viele Jahre die Referenz für viele Kritiker und viele Interpreten. Was damals Aufsehen erregte, wird heute wohl kaum noch in die Kategorie des "Außergewöhnlichen" fallen. Oder? Doch, das tut es. In der Pfarrkirche St. Martin in Schweich war Kirchenmusikdirektor Viktor Scholz mit seiner Interpretation des Geschehens zu Karfreitag zu Gast. Begleitet wurde er von Karl-Heinz Grundmann, der zwischen den einzelnen Stationen Texte von Anton Bauer und Werner Gross las, und der Bilderzyklus "Miserere" des französischen Malers Georges Rouault wurde gezeigt.Scholz gestaltete eine "Meditation in der Karwoche", die unter die Haut ging. Rein technisch gesehen ist der Kreuzweg eine große Herausforderung für jeden Interpreten. Nach über vierzig Jahren aber steckt er Scholz schlicht in den Händen und Füßen, gibt ihm die große Erfahrung mit dem Werk die Freiheit, durch ungewöhnliche Registrierungen und Manualwechsel dieses Opus glaubhaft auch an Instrumenten zu spielen, die auf den ersten Blick nicht dazu geeignet sind.In sich ruhend konnte Scholz sich ganz darauf konzentrieren, die Passion durch die Musik zu illustrieren, es nachfühlbar zu machen. Da wurde der stille, aber doch tiefe Schmerz Mariens bei der Begegnung mit ihrem Sohn konkret, da stand tatsächlich eine nackte und erbarmungswürdige Person im Raum, als Jesus seiner Kleider beraubt wurde. Eine tiefe, aber nicht wirklich fassbare Ruhe verbreitete sich in der letzten Station, in der Jesus ins Grab gelegt wird. Es war vorbei, und doch war spürbar, dass dies nicht das Ende war. Scholz' Interpretation kann man auch nach all den Jahren immer noch als packend bezeichnen. Im Programmheft wurden die zahlreichen Zuhörer gebeten, "auf den Beifall zu verzichten, um die meditativen Eindrücke nachwirken zu lassen". Aber gerade deshalb blieb es absolut unverständlich, warum der Veranstalter den Abend mit einem gemeinsamen Schlusslied enden ließ — und viele Nachwirkungen zerstörte.

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