Oberbillig Hymne auf den „Orpheus Britannicus“

Oberbillig · Das Odyssey Ensemble und Susanne Ekberg im Contemporaneum Oberbillig

 Das Odyssey Ensemble (v.l.): Shana Douglas und Winona Field Violinen, Roberto Sorrentino, Cello und Michelle Bruil, Viola.

Das Odyssey Ensemble (v.l.): Shana Douglas und Winona Field Violinen, Roberto Sorrentino, Cello und Michelle Bruil, Viola.

Foto: TV/Martin Möller

Wie eindrucksvoll kann sich die Wirkung von Musik verändern, wenn die nicht mehr im gewohnten Konzertsaal stattfindet. Die neue Umgebung schärft die Sinne, lässt Klänge intensiver erleben, macht neugierig auf das Besondere, auf die Mischungen, die  Zwischentöne, die mal ausladenden, mal subtilen Emotionen. So muss es im Gipsbergwerk Ralingen und in der Scheune in Minden gewesen sein.

Und so wurde es auch im letzten Konzert der dreiteiligen Reihe, die veranstaltet wurde von der Gesellschaft für aktuelle Klangkunst. Die Veranstaltung fand statt im Contemporaneum Oberbillig, einer aufstrebenden, sanft hügeligen Landschaft mit verstreuten Kunstobjekten. Die wirken wie künstliche Ruinen in einem historisierten Park. Und auf halber Höhe findet sich  der schlichte, aber akustisch erstaunlich günstige Pavillon mit Blick hinunter zum Moseltal und circa 50 Plätzen. Die waren beim  Konzert voll belegt.

Wie schade, dass mangels ausreichender Probengelegenheit Wolfgang Grandjeans Streichquartett ausfiel!  Die Klangprozesse in der Komposition, ihre offenen Formen hätten sich gewiss exzellent eingefügt in das gegliederte und doch offene Ambiente rund um das Contemporaneum. Freilich war das stattdessen gespielte Werk weit mehr als Ersatz.

Benjamin Brittens 2. Streichquartett im lichten C-Dur gehört zweifellos zur ganz großen Kammermusik. Das britische Odyssey-Ensemble setzte seine ganze Energie und seine ganze Kompetenz an dieses Werk – vor allem an die abschließende Chaconne, ein eindringlicher Hymnus auf Henry Purcell, den „Orpheus Britannicus“. Der Melodik gaben die Odyssey-Musiker  Bildkraft mit und der polyphonen Struktur vorbildliche Deutlichkeit. Da kam das groß angelegte Pathos dieser Musik heraus. Aber auch die Feinheiten klangen mit, die leisen, die intimen Töne. Kann sich bei diesem Werk andere Musik im Programm noch behaupten? Immerhin,  das Streichquartett  Nr. 2 von Philip Glass entfaltete in seinen Repetitionsfiguren eine Art Klassizität – jedenfalls entspricht die Satzfolge erstaunlich eindeutig einem viersätzigen Streichquartett: Kopfsatz, Scherzo, langsamer Mittelsatz, Finale. Aber dann die Marina Zwetajewa-Gedichte von Dimitri Schostakowitsch (in der Fassung für Alt und Streicher von Lera Auerbach).

 Die Mezzosopranistin Susanne Ekberg.

Die Mezzosopranistin Susanne Ekberg.

Foto: TV/Martin Möller

Mag sein, dass bei Mezzosopranistin Susanne Ekberg die Liedtexte etwas zu kurz kamen, überdies stimmte der gesungene Wortlaut mit der Textfassung im Programm nicht überein. Aber Ekberg, deren warmes und doch schlankes Timbre sich mit dem sonor-grundtönigen Quartettklang hervorragend verbindet – Susanne Ekberg und die Odyssey-Musiker beschworen eindringlich die beklemmende Emotionskraft des späten Schostakowitsch. Es ist eine Musik ohne die Maske, hinter der sich der Komponist in seiner mittleren Periode oft versteckt hatte. Jetzt spricht er sich offen aus – trauernd und zugleich zärtlich, aufbegehrend und dann wieder resignativ. Leiden, Mitleiden und Selbstbehauptung in einer Welt von Diktatur und Unterdrückung.

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