Das rasende Rumpelstilzchen bittet zum Tanz

Luxemburg · Ah, Irland. Grüne Idylle. Weidende Schafe. Traurig-schöne Lieder. Und eine Meute rasend begeisterter Wahnsinniger im Luxemburger Atelier. Dabei kommt Flogging Molly gar nicht aus Irland, sondern aus Los Angeles.

 Jede Menge Energie: Dave King von Flogging Molly. Mehr als 1000 Fans feiern die Band im luxemburger Musikclub Atelier. TV-Foto: Jasmin Wagner

Jede Menge Energie: Dave King von Flogging Molly. Mehr als 1000 Fans feiern die Band im luxemburger Musikclub Atelier. TV-Foto: Jasmin Wagner

Foto: (g_kultur

Luxemburg. Wer an die Theorie einer sich langsam aufbauenden Energie in einem Livepublikum glaubt, der hatte es noch nie mit Flogging Molly zu tun. Hier baut sich keine Energie auf. Sie ist von Anfang an da, quasi auf Knopfdruck. Ein paar Töne von Violine, Gitarre, Bass und Schlagzeug, und ein großer Teil der 1000 Fans im ausverkauften Atelier beginnt aus dem Stand zu springen, zu rempeln und zu toben.
Der eine lässt den Frust des Tages raus, der andere feiert das Leben im Allgemeinen oder den genialen Folk-Punk dieser völlig abgedrehten US-Band im Besonderen. Niemand steht mehr still. Ein paar blaue Flecke werden wohl die Folge sein, aber was raus muss, das muss eben raus. An beiden Seiten des Innenraums geht es ruhiger und gesitteter zu. Ein wenig.
Auch wenn diese rasende Meute nicht so recht zum oft sanften und melancholischen Liedgut der grünen Insel zu passen scheint, ist das alles trotzdem sehr irisch. Sänger und Gitarrist Dave King, ein echter Dubliner, und seine Mannen lassen die melancholische Seite zunächst mal weg, konzentrieren sich auf die ebenso mit dem klassischen Irish Folk verbundene Heiterkeit und Lebensfreude, kombinieren diese mit dem Wahnsinn des Punk und präsentieren auf diese Weise eine 90-Minuten-Show, die das Publikum körperlich genauso fordert wie die Musiker. Die bewegungsarmen Kopfgenießer auf der Empore, die ebenso voll ist wie der Innenraum, müssen immer mal wieder ein wenig Hohn und Spott ertragen.
Dave King, der Flogging Molly 1997 in Los Angeles gegründet hat, sieht aus wie ein ergrauter Kobold und bewegt sich auf der Bühne wie ein cholerisches Rumpelstilzchen. Er ist Frontmann und Sprachrohr. Er und nur er kommuniziert mit dem Publikum, spricht über seine großartige Heimat Irland, ihre Bräuche und Geschichte. Er kritisiert die Methoden der Politik und die Missstände in der Gesellschaft. Die Masse hört ihm zu und ist dankbar für jede Pause zwischen den ultraschnellen Songs. Kings Texte haben nichts vom Nihilismus des Punk. Er spricht denen aus der Seele, die etwas sagen wollen, aber kein Gehör finden bei denen da oben. Und da er dabei jede Menge Humor einsetzt, wird seine Botschaft kein aggressiver Aufruf zum Kampf, sondern eher eine Ode an die Schönheit der schnellen und lauten Musik. Wie eine Mischung aus den Pogues und Johnny Cash.
Sechs Mann und eine Frau stehen in Luxemburg auf der Bühne. Bridget Regan spielt Tin Whistle und Violine, sie macht das Atelier endgültig zu einem riesigen Pub. Und dann kommen sie doch, die melancholischen Momente. Als "If I ever leave this world alive" ertönt, hält die pogende Masse inne und singt mit. Irgendwo sind wir doch alle Iren. jp

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