"Das Theater braucht eine zeitgemäße Organisationsform"

Wie geht es weiter mit dem Theater Trier in Zeiten klammer öffentlicher Kassen? Die Diskussion läuft. Der TV hat zehn Gastautoren gebeten, ihre Ideen und Vorschläge zur Zukunft des Hauses zu notieren. Heute: Hermann Lewen.

 Hermann Lewen. TV-Foto: Roland Morgen

Hermann Lewen. TV-Foto: Roland Morgen

Nicht die Frage, ob jemand KEIN Theater in Trier möchte, muss gestellt werden, sondern die Frage lautet: Wie können Oper, Operette, Schauspiel, Tanztheater auch in kleineren Städten in Zukunft mit Niveau angeboten und finanziert werden?
Solange in Deutschland Grundgesetz und Länderverfassungen die Kultur nicht als Staatsauftrag, sondern als freiwillige Aufgabe definieren, wird bei nicht ausgeglichenen Haushalten dort zuerst der Rotstift angesetzt - vielfach bleibt gar keine andere Wahl.
Dieses Thema sollte also nicht nur als lokaler Einzelfall beleuchtet werden, sondern in größeren Zusammenhängen.
Kein verantwortlicher Entscheider in Rat und Verwaltung möchte jemandem bewusst den Arbeitsplatz, sei es im Theater oder einer Fabrik, wegnehmen. Hier müssen aber alle nach einer Lösung suchen, die es ermöglicht, viele dieser Arbeitsplätze und deren Wertschöpfung für die Gesellschaft auf Dauer zu erhalten.
Es ist natürlich für eine 100 000-Einwohner-Stadt wie Trier eine tolle Situation, über ein Ensembletheater zu verfügen, aber darf nicht auch darüber nachgedacht werden, wie andere vergleichbare Städte (Worms, Ludwigshafen, Wolfsburg, Luxemburg, Fürth) ähnliche Angebote auch ohne festes Ensemble stemmen? Man kann auch die Frage stellen, warum Rheinland-Pfalz nicht, wie andere Länder, ein "Landestheater" zur kulturellen Grundversorgung außerhalb der Zentren anbietet. Oder ein "Drei-Städte-Ensemble-Theater" mit Trier, Koblenz, Kaiserslautern. Wenn Fusionen kommunaler Gebietskörperschaften gefordert werden, warum es nicht auch mit kommunalen Kultureinrichtungen versuchen?
Die Frage stelle ich nicht, um Arbeitsplätze in der sogenannten Kulturwirtschaft zu reduzieren, sondern um sie für die Zukunft zu erhalten. Dabei muss auch über die Einnahmen geredet werden. Wer sie steigern will, braucht eine zeitgemäße Organisationsform der "Theater-Immobilie". Um flexibel, marktorientiert und effizient "das Haus" zu managen, bedarf es einer privatrechtlichen Organisation, wobei auch bei einer kommunalen GmbH oder einem Eigenbetrieb eine politische Kontrolle und Gestaltung gewährleistet werden können. Das "weiter so wie bisher" wird nicht funktionieren.
Es ist ja sehr redlich, die Öffentlichkeit auf die Gefahr eines möglichen "kulturellen Kahlschlags" hinzuweisen. Aber noch besser wäre es, wenn alle Petitionsunterzeichner auch Solidarität dadurch zeigten, dass sie lediglich zwei Mal im Jahr zusätzlich (oder gegebenenfalls auch erstmalig) in IHR Theater gingen. Bei erwarteten 20 000 Unterschriften könnte man so bei einem Eintrittspreis von 20 Euro etwa 800 000 Euro Mehreinnahmen generieren. Da wären dann die Einsparungen von einer halben Million Euro kein Thema mehr. Das wäre dann echtes "Trierer Fundraising", und die Republik würde sich staunend verneigen vor so viel realem Bürgerengagement der Trierer für ihr Theater samt Ensemble.
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Anne SchaafExtra

Hermann Lewen erfand 1985 das Mosel Musikfestival und hat die Konzertreihe in den vergangenen 28 Jahren mit einem dreiköpfigen Mini-Team stetig weiterentwickelt. Jährlich kommen etwa 15 000 Besucher zu 50 Konzerten an mehr 30 Spielstätten - zunehmend auch in der Stadt Trier. Mit über 60 Prozent Eigenfinanzierungsanteil hat man einen ungewöhnlich geringen Zuschussbedarf. DiL

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