Theater Wann ist normal normal?

Trier · Das Theater Trier bringt Kindern und Jugendlichen mit Kristo Šagors Stück „Patricks Trick“ das Thema Inklusion näher.

 Patrick (Adi Hrustemovic, links) fragt den kroatischen Boxer (Martin Geisen), wie er Deutsch gelernt hat.

Patrick (Adi Hrustemovic, links) fragt den kroatischen Boxer (Martin Geisen), wie er Deutsch gelernt hat.

Foto: Theater Trier/Caroline Stolz

Jeder kennt ihn: den Menschen, den man nicht versteht. Weil er anders ist, fremd, behindert. Doch wie kann man sich ihm verständlich machen, ihm helfen, die Welt zu verstehen? Und wird das Leben mit ihm  noch so sein wie jetzt?

Patrick will das wissen. Denn er bekommt einen Bruder. Doch die Freude ist getrübt; irgendetwas scheint nicht an ihm zu stimmen: Patricks ungeborener Bruder wird behindert sein und vielleicht nie sprechen können. Seine Eltern kann der Elfjährige nicht fragen – denn dann müsste er zugeben, sie belauscht zu haben. Und so macht sich Patrick auf den Weg. Er will wissen, wie man Sprache lernt und wie er seinem kleinen Bruder dabei helfen kann. Und auch, was die Behinderung für ihn, den großen Bruder, bedeutet.

Patrick geht zu seinem besten Freund Valentin und fragt ihn. Er erkundigt sich unter anderem bei der Lehrerin, sogar bei einem Professor. Er fragt seinen neuen Kumpel, einen kroatischen Boxer, der nicht so gut Deutsch sprechen kann, und auch die Gemüsefrau, die körperlich und geistig beeinträchtigt ist.

So findet er nach und nach heraus, was auf ihn zukommen wird und wie er dazu stehen wird. Patricks Trick: Er führt einen Dialog mit seinem ungeborenen Bruder. Das ist gleichzeitig der Trick des Autors des gleichnamigen Theaterstücks für Kinder und Jugendliche ab zehn Jahren. Darin stellt er wichtige Fragen: „Was ist behindert?“ „Ist behindert das Gegenteil von normal?“ „Was ist normal, was unnormal?“

„Patricks Trick“ wurde 2013 mit dem Förderpreis des Berliner Kindertheaterpreises und 2014 mit dem Jugendtheaterpreis Baden-Württemberg ausgezeichnet und war im selben Jahr für den Deutschen Kindertheaterpreis nominiert.

„Patrick ist mutig“, sagt Philipp Moschitz, der Kristo Šagors Werk für das Trierer Theaterstudio inszeniert. „Er führt Gespräche. Und er merkt, dass Behinderte ganz normal sind, wenn man für alles offen ist.“

Šagor erzählt die Geschichte aus Sicht des Jungen Patrick und seines ungeborenen Bruders – als Zwei-Personen-Stück. Die beiden Schauspieler schlüpfen in insgesamt zwölf verschiedene Rollen – und das höchst rasant. „Oft sagen sie nur einen Satz“, erklärt Moschitz, „dann switchen sie in eine andere Figur. Das bedarf einer hohen Konzentration.“

Umso erstaunlicher, dass sich Adi Hrustemovic innerhalb kürzester Zeit die Rolle des Patrick angeeignet hat. Eigentlich sollte Niklas Maienschein diesen Part übernehmen. Doch der fällt wegen Krankheit für die Premiere und die ersten Aufführungen aus. Und so hat sich Moschitz, der neben seiner Arbeit als Schauspieler und Regisseur auch Dozent an der Theaterakademie August Everding in München ist, nach einem Ersatz umsehen müssen. Und ihn in seinem Studenten Hrustemovic gefunden. „Adi hatte drei Tage Zeit, die Rolle zu lernen“, sagt Moschitz, dann stand schon die erste Hauptprobe an.

Den ungeborenen Bruder und zahlreiche andere Personen spielt Martin Geisen. Der 30-jährige geborene Dauner ist seit dieser Spielzeit festes Ensemblemitglied in Trier. Zuvor war er am Westfälischen Landestheater, wo er unter anderem mit Ralf Ebeling und Karin Eppler gearbeitet hat.

Für das Bühnenbild gibt es nur einen Tisch und zwei Stühle. „Alles passiert aus den Schauspielern heraus“, erklärt Moschitz. „Nach und nach gehen die Figuren in Patrick über, bis sie aus ihm heraussprechen.“ So entdecke dieser die Welt. „Die jungen Zuschauer sollen das miterleben, sie sollen mit Patrick mitentdecken. Denn es kann alles passieren. Es gibt kein Rezept, wie man sich verhalten kann.“

Premiere: 12. Januar, 19.30 Uhr, im Studio des Theaters Trier. Karten: Theaterkasse, Telefon 0651/718-1818.

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