Konzerte Balladen unterm Sternenhimmel

Konz · Mit dem Tingvall-Trio spielen exzellente, hochkarätige Musiker im Roscheider Hof

 Tingvall-Trio in Konz

Tingvall-Trio in Konz

Foto: Martin Möller

Wer hätte das gedacht! Da verwandelt sich der nüchterne Eingangsplatz im Freilichtmuseum Roscheider  Hof unversehens in ein Konzertforum – mit einer bescheidenen Bühne vor dem Eingang zum stillgelegten Restaurant und rundherum mit einer Bebauung, die akustisch ganz gewiss nur von Vorteil ist. Es liegt etwas sympathisch Improvisiertes in der Luft, und beim Publikum eine Verbindung aus Gelassenheit und Aufmerksamkeit. Und das Martin-Tingvall-Trio, das zweifellos andere, weitaus größere  Foren kennt, es passt sich dieser Stimmung sensibel an.

Die Musiker verbreiten beim Auftritt eine Aura der Unauffälligkeit. Aber wenn unter dem sternenklaren Himmel Omar Rodriguez Calvo am Bass den ersten, ungewöhnlich hohen Ton anstimmt, wenn Pianist Martin Tingvall die ersten Akkorde anschlägt und  von Schlagzeuger Jürgen Spiegel die ersten Rhythmen kommen – dann erstirbt rasch jedes Geräusch, und die Besucher lauschen wie gebannt den präsenten, aber keineswegs überlauten Klängen, die von der Bühne kommen.

Der Start ist so unspektakulär wie fast alles im Konzert. Eine instrumentale Ballade, melodisch weit ausholend, sehr melancholisch. „Ewigkeitsmaschine“ nennt sie Martin Tingvall in  seiner Moderation. Dieses Stück ist für das Konzert wie ein Motto. Es enthält vieles von dem, was die Musik der Tingvalls auszeichnet. Die Formation bezieht zu traditionellem Jazz Abstand. In ihrer Musik klingt ein vokaler, ein sängerischer  Grundzug mit.

Ihre Melodik und Harmonik orientieren sich an den alten Kirchentonarten, schmeicheln aber auch mal mit romantischer Terzenseligkeit. Und ihr Verfahren, Klänge und melodische Linien über einem regelmäßig wiederkehrenden Bass und über wiederkehrenden Harmonien zu entwickeln, reicht weit zurück in die Musikgeschichte. Es ist eine Technik, mit der sich musikalisch fast alles machen lässt, und die Tingvalls nutzen die Chance. Sie spulen nicht Vorfabriziertes ab, sondern erfinden neu und oft spontan. Sie entfalten über dem Bassfundament mal zarte Lyrik, mal eine fast sinfonische Akkordfülle. Und sie bewegen sich im Ausdruck sicher auf dem weiten Feld zwischen Brillanz  und Schwermut.

Es sind exzellente, hochkarätige Musiker, die da oben auf der Bühne stehen. Musiker, die mit perfekter Intonation, Klangtransparenz und rhythmischer Präzision bestechen und souverän an den Grenzen entlangspielen, die ihre Instrumente nun mal setzen. Und wo die Inspiration, selten genug, einmal nachlässt, da ersetzen sie die durch liedhaft-lyrische Intimität und tänzerischen Schwung.

Der Beifall fiel herzlich aus, der Besuch war für ein Ensemble dieser Klasse erstaunlich mager. Immer noch und dabei völlig zu Unrecht bleibt das Tingvall-Trio in der Region ein Geheimtipp. Den Veranstalter schreckt das nicht. „Man darf den Kopf nicht in den Sand stecken“, sagte Organisator  Christoph Kramp. Vielleicht kann sich der Roscheider Hof als kleines Musikzentrum etablieren.

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