Das Trierer Theater bleibt, wie es ist

Trier · Pünktlich zum Saisonstart lebt die Diskussion um die Zukunft des Trierer Theaters wieder auf. Dabei zeichnet sich ab, dass die radikalen Reformvorschläge vom Tisch sind. Für eine sichere Finanzierung haben die Parteien im Trierer Stadtrat allerdings kaum realistische Rezepte anzubieten.

 Erst schien es fünf vor zwölf, jetzt werden die Uhren im Theater wieder neu gestellt: Pavel Czekala in der „Spanischen Stunde“. TV-Foto: Friedemann Vetter

Erst schien es fünf vor zwölf, jetzt werden die Uhren im Theater wieder neu gestellt: Pavel Czekala in der „Spanischen Stunde“. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Die vielen Unterschriften und Klicks für die Petition zum Erhalt des Trierer Theaters als Dreisparten-Ensemblehaus haben ihre Wirkung nicht verfehlt: Die Optionen, die der von der Stadt bestellte Gutachter auf Wunsch des Kulturausschusses vorgeschlagen hat, spielen bei der Entscheidung wohl keine Rolle mehr. Spartenschließungen oder die Umwandlung in ein Bespielhaus haben im Stadtrat keinen Rückhalt. Auch eine strukturelle Kooperation Koblenz und Kaiserslautern steht mangels Interesses der potenziellen Partner nicht mehr zur Debatte.Wird das Theater zur GmbH?


Was sich abzeichnet, ist aber eine Änderung der Rechtsform. Die Tage des Theaters als städtisches Amt scheinen gezählt. Die Grünen erhoffen von einer neuen Trägerkonstruktion "eine höhere Effizienz im operativen Bereich". Die SPD will das Theater in einen Eigenbetrieb umwandeln, eine Art Mittelding zwischen Verwaltung und Selbstständigkeit.
Am weitesten wagt sich CDU-Fraktionschef Ulrich Dempfle nach vorn: Er plädiert für eine GmbH, bei der die Stadt sich auf eine Minderheitsbeteiligung beschränkt. 50 Prozent soll das Land übernehmen, zehn Prozent die Kreise. Das würde dem Theater unternehmerischen Freiraum verschaffen und die Stadt entlasten, aber den Einfluss des Stadtrats erheblich einschränken. Die CDU-Fraktion hat dazu noch keinen definitiven Beschluss gefasst.
Konsens unter den größeren Parteien herrscht auch im Neuzuschnitt der Rolle des Intendanten: Er soll künftig eher Manager mit der Befähigung zur Personal- und Unternehmensführung sein als praktizierender Künstler.Intendant künftig als Manager


Die Zeit der inszenierenden Intendanten Marke Lukas-Kindermann oder Weber dürfte damit zu Ende sein, wenn der Topjob Ende des Jahres ausgeschrieben und für 2015 neu besetzt wird.
Unklar bleibt, wie die bestehenden Finanzlücken geschlossen werden sollen - und wer die unweigerlich wachsenden Ausgaben für beschlossene Lohnerhöhungen trägt. Die SPD will dem Theater die Kosten abnehmen und über den Anteil an einer zu erhebenden Fremdenverkehrsabgabe finanzieren. Außerdem soll das Land bewegt werden, zu einer Halbe-Halbe-Finanzierung zurückzukehren.
Die Umsetzung ist zweifelhaft. "Im Endeffekt ist das ein Wunschkatalog", räumt SPD-Kultursprecher Markus Nöhl ein. Dazu gehört auch die Schaffung einer Marketing-Stelle und die bessere Nutzung freier Kapazitäten, etwa beim Orchester. Eine Ausweitung des Programms in den Sommermonaten soll das Theater nach Vorstellung der SPD ohne zusätzliche Mittel bewerkstelligen.Grüne wollen neue Inhalte


Die Grünen haben das mit Abstand detaillierteste Papier vorgelegt, das etliche konkrete Forderungen auch an das Theater formuliert. Sie hinterfragen die Organisation von Pförtnerdienst und Garderobe, wollen den personalaufwendigen Verkauf der Programme abschaffen, fordern die Flexibilisierung des Bühnenpersonals, einen professionelleren Vertrieb und ein effektives Controlling - vor allem bei der Bezahlung der Gäste und Solo-Künstler. Vom künftigen Intendanten wird mehr Kosten-Transparenz erwartet. Und die Macht soll er mit künstlerisch selbstständigen Spartenchefs teilen.
Die Grünen fordern auch eine inhaltliche Neuausrichtung: Weniger Repräsentationstheater, mehr "Kulturplatz" für alle, auch für die Freie- und Kreativkultur. Koproduktionen mit Hochschulen, ein regionaler Stückemarkt und Bürgertheater auf Trierer Straßen sollen helfen, neue Publikumsschichten zu erschließen.Meinung

Ein Verschiebebahnhof hilft keinem
Es ist schon erstaunlich: Die gleichen Parteien, die vor einem halben Jahr aus verzweifelter Sorge über die Nicht-Mehr-Finanzierbarkeit des Theater-Etats ein radikales Sparkonzept in Auftrag gaben, stellen alles wieder auf Anfang zurück. Das macht beliebt beim Publikum und beim Personal. Und es schiebt die Verantwortung ab auf andere. Was, wenn das Land, das gerade bei Ganztagsschulen und Schwangerenberatung kürzt, keine Neigung verspürt, sich beim Trierer Theater verstärkt zu engagieren? Was, wenn die Landkreise nicht zahlen wollen? Was, wenn die ADD ihre Sparauflagen erneuert? Also wenn es so kommt, wie es zu erwarten ist? Dann hat man ein paar Sündenböcke. Aber geholfen ist keinem, am wenigsten den Theaterleuten in ihrem zermürbenden Existenzkampf. Immerhin pflegen zumindest die Grünen eine unbequeme Erkenntnis: Es wird nicht gehen, ohne dass auch das Theater sich bewegt. Der künftige Intendant muss jeden Stein im Hause umdrehen, jede Möglichkeit zur inhaltlichen Weiterentwicklung, aber auch zur finanziellen Konsolidierung nutzen. Gebraucht wird ein zugkräftiger Visionär und effektiver Organisator, der nicht unbedingt Regie führen kann, aber Menschen. Ein Manager mit BWL-Diplom reicht nicht. Das Haus muss die Stärken des Ensembles ausspielen, neue Formen jenseits traditioneller Produktionen etablieren. Und es muss sich, wenn es das Trierer Kulturbudget zum großen Teil beansprucht, auch als Dienstleister für andere Kulturmacher vor Ort verstehen. Aber das Drängendste von allem ist die Gebäudefrage. Denn wenn die Bruchbude am Augustinerhof, bei der es gerade durchs Dach regnet, geschlossen werden muss, dann sind alle anderen Überlegungen obsolet. d.lintz@volksfreund.de

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