Das Trierer Theater lockt vergeblich

Trier · Einen deutlichen Besucherrückgang meldet das Theater Trier für die letzte Saison. Statt 117 000 Zuschauer wie in der Spielzeit zuvor kamen von Oktober 2009 bis Juli 2010 nur 102 500. Der Grund liegt nicht allein beim Einbruch der Antikenfestspiele.

Trier. Normalerweise ist die Saisonbilanz des Trierer Theaters Gegenstand einer feierlichen Pressekonferenz im Spätherbst. Diesmal gab es die Zahlen mit fast halbjähriger Verspätung, als Fußnote am Rande einer Kulturausschusssitzung - und selbst das nur auf Drängen der Presse. Dabei stand auf der Tagesordnung der gleichen Sitzung schon der Spielplan für die Saison 2011/12.

Probleme mit Abrechnungssystem

Den nahe liegenden Verdacht, die überaus bescheidene Präsentation habe mit der Qualität der Zahlen zu tun, weisen Kulturdezernent Thomas Egger und Intendant Gerhard Weber gleichwohl weit von sich. Es habe Probleme mit dem Abrechnungssystem (siehe Extra) gegeben, dazu personelle Engpässe und nicht zuletzt Komplikationen bei der Bilanzierung der Antikenfestspiele, hieß es gegenüber dem TV.

An den Zahlen selbst gebe es "nichts zu beschönigen", sagt Weber, "wir haben Riesen-Einbußen".

Dabei könne sich das künstlerische Resultat der anspruchsvollen "Deutschland-Spielzeit" durchaus sehen lassen: "Wir haben uns was getraut". Aber offenbar mehr, als das Trierer Publikum mitzugehen bereit war. Es waren die konventionellen Dauerbrenner wie die Operette "Lustige Witwe" (7856 Besucher) und das Musical "Cabaret" (6884), die sich in der Statistik ganz vorne platzierten. Wohingegen eine zeitgenössische Oper wie "Joseph Süß" trotz überregionaler Aufmerksamkeit mit 1296 Zuschauern nicht das Minimal-Interesse erreichte, mit dem sich eine Produktion im Großen Haus rechtfertigen lässt.

Unterm Strich war das klassische Musiktheater aber noch relativ stabil. In anderen Bereichen fehlten dagegen Kassenmagneten wie "Anatevka" oder "Piaf", die im Vorjahr die Bilanz geprägt hatten. So mussten Tanztheater, Musical und Schauspiel unterm Strich deutlich Federn lassen - trotz des Erfolgs für den sperrigen "Doppel-Faust" (6611).

Allerdings zahlt das Theater auch die Zeche für die finalen Antikenfestspiele: Die kamen nur auf 7159 Zuschauer - da war der Theatersommer des Vorjahres mit seinen Zusatz-Repertoirevorstellungen und Gastspielen an der Kasse schlicht erfolgreicher.

Ein anderer Grund für die mäßigen amtlichen Zuschauerzahlen liegt freilich auch in der Praxis der letzten Jahre, auswärtige Gastspiele des Trierer Orchesters zwecks Aufhübschung in die Zahlen einzurechnen. Große Abstecher gab es diesmal kaum, und so fehlten allein aus diesem Bereich 7000 Seelen für die Statistik - was über die Akzeptanz des Theaters in Trier wenig aussagt.

Orchester punktet



Zu Hause konnte das Orchester nämlich beachtlich punkten. Trotz der gigantischen Konkurrenz aus Luxemburg und gegen den Gesamt-Trend legten die Philharmoniker sogar leicht zu - auf 8145 Besucher. Neben den konstant besuchten Sinfoniekonzerten hat sich die unkonventionelle "Welt-Musik"-Reihe von Generalmusikdirektor Victor Puhl inzwischen fest etabliert.

Unerfreulich die Bilanz im Studio: Weniger Vorstellungen, weniger Auslastung, Ergebnis: Mit 2388 fast ein Drittel weniger Besucher.

Dafür gab es mit "Rendez-Vous nach Kassenschluss" in der Volksbank am Viehmarkt eine positive Überraschung. Dezernent und Intendant betreiben Ursachenforschung für den Einbruch. Man will vermittels einer "Struktur-Analyse" herausfinden, ob es sich um "normale" Schwankungen oder eine langfristige Tendenz handelt. Egger rätselt über den "Luxemburg-Faktor", Weber denkt über die Preisgestaltung nach. Sein Haus, dessen ist sich der Intendant sicher, wäre weitaus leistungsfähiger und variabler, wenn es endlich den "kleinen Saal" für 150 Zuschauer gäbe. Und auch der Dezernent will über räumliche Optionen im Zuge der anstehenden Groß-Sanierung "neu nachdenken".

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Die 102 551 Besucher der Spielzeit 2009/10 sind die niedrigste Zahl seit Einführung der Zuschauerstatistik im Jahr 1964. Die bislang erfolgreichste Saison 1965/66 lockte 153 116 Besucher an. In den letzten zehn Jahren kamen pro Saison durchschnittlich 116 000. Allerdings wurde der Zählmodus mehrfach verändert.

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In der Saison 2009/10 stieg das Theater erstmals in den Online-Ticketverkauf ein - "ein Wagnis", sagt Dezernent Egger. Für das Publikum habe die Sache funktioniert, aber mit der Buchhaltungssoftware habe es intern Probleme gegeben. Das erkläre auch die späte Vorlage der Spielzeit-Bilanz. Deshalb sei man aus der Kooperation mit dem Unternehmen "Ticket regional" ausgestiegen. Die Firma weist allerdings darauf hin, dass sie mit anderen Theatern und etlichen Anbietern der Region problemlos zusammenarbeite. Seit Saisonbeginn kann man nun online keine Tickets mehr für das Trierer Theater kaufen, sondern nur noch per Mail bestellen - ein vorsintflutliches System. Selbst kleine Theater bieten in Deutschland durchweg den Service, online Plätze auszuwählen und zu bezahlen. Ein solches Angebot soll laut Egger ab der kommenden Spielzeit wieder bestehen.

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