"Das Werk ist nur in Deutschland unbekannt"

TRIER. Am Freitag, 3. Oktober 2003 um 17 Uhr erklingt in der Trierer Konstantin-Basilika Edward Elgars Oratorium "The Dream of Gerontius" als Trierer Erstaufführung und außerdem auf den Tag genau 103 Jahre nach der Premiere in Birmingham. Initiator und Dirigent des Projekts ist Kantor Martin Bambauer.

 Ein Oratorium als eine interessante musikalische Übersetzung von Spiritualität: Martin Bambauer. Foto: Ludwig Hoff/TV-Archiv

Ein Oratorium als eine interessante musikalische Übersetzung von Spiritualität: Martin Bambauer. Foto: Ludwig Hoff/TV-Archiv

Herr Bambauer, Sie haben sich mit dem "Dream of Gerontius" an ein fast unbekanntes Werk gewagt. Was fasziniert Sie an diesem Stück? Bambauer: Also, das Werk ist nur in Deutschland unbekannt, in England zum Beispiel steht es hinter Händels "Messiah" auf Platz zwei. Das heißt, es hat andernorts schon Fuß gefasst. Mich fasziniert die unglaublich farbige Harmonik, die geniale Konzeption, mit der Elgar den Text vertont, dieses gigantische musikalische Gemälde, und auch die Plakativität, die damit einhergeht. Das ist ja ein Feld, auf dem wir uns als evangelische Kirchenmusiker normalerweise nicht aufhalten.Gibt es ein bekanntes Oratorium, von dem Sie sagen würden, dass es dem "Dream of Gerontius" nahe steht? Bambauer: Der "Elias" tendiert sicherlich in diese Richtung, auch dieses Werk hat ja theatralische Züge. Und wie der "Gerontius" wurde ja auch Mendelssohns Oratorium in Birmingham uraufgeführt. Auch Verdis "Requiem" entfaltet diese Klangwelt.Worum geht es in dem Werk? Bambauer: Gerontius ist ein ganz normaler Mensch, der auf dem Sterbebett liegt. Kein Heiliger, das war Elgar sehr wichtig. Der erste Teil schildert das Sterben dieses Menschen. Der zweite Teil erzählt den Weg seiner Seele bis vor den Richterstuhl Gottes. Er wird von einem Engel geführt, hört von ferne die Dämonen der Hölle, dann erscheinen die himmlischen Heerscharen und singen das Lob Gottes. Für einen kurzen Augenblick ist ihm vergönnt, Gott zu schauen - in diesem Moment sollen alle Instrumente ihre größtmögliche Lautstärke entfalten. Schließlich wird die Seele verklärt im Jenseits aufgehoben und das Werk endet mit einem sehr friedlichen Schlussabschnitt.Der Textdichter, Kardinal Newman, war ein Anglikaner, der zum Katholizismus konvertierte. "The Dream of Gerontius" ist ein sehr katholisches Stück. Zu katholisch für einen evangelischen Kantor? Bambauer: Ehrlich gesagt, ja (lacht). Aber der Chor, der zur Hälfte aus Katholiken besteht, sieht das als ökumenisches Projekt, und die Ökumene war immer ein Vorzeichen meiner Arbeit. Da gestatte ich mir diesen Ausflug. Außerdem haben wir Strukturen, die die Aufführung überhaupt ermöglichen - die Konstantin-Basilika, die Kooperation mit den Mosel-Festwochen. Meines Wissens wurde der "Gerontius" in Trier noch nicht aufgeführt. Und die Musik begeistert mich ungemein. Ich sehe dieses Oratorium als eine interessante musikalische Übersetzung von Spiritualität an, ohne dass ich jeden Satz im Text unterschreiben würde - aber das kann ich auch in einer Bach-Passion nicht.Kann das Werk, wenn wir es aufführen, mehr sein als ein klingendes Museumsstück? Hat es etwas Aktuelles, das die Menschen heute bewegt? Bambauer: Es versucht, Dinge, die wir nicht wissen, darzustellen. Das Wichtigste ist die Glaubensgewissheit, die sich durch das Werk mitteilt. Das wird niemals überholt sein. Wir sind eben nicht nur von dieser Welt.Die Fragen stellte unser Redakteur Martin Möller.Karten: Tel 06531/3000; www.moselfestwochen.de

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