Das Wort-Schätzchen

HAMBURG/TRIER. Interview-Termine mit Bastian Sick erfordern derzeit mehr Vorlauf als manches Gespräch mit einem Minister. Deutschlands oberste Sprach-Instanz ist auf großer Tour. Das Programm heißt selbstbewusst "Die große Bastian-Sick-Schau". Der Mann kann sich's leisten – er ist derzeit everybody's darling. Oder wie der bekennende Anti-Anglizist sagen würde: Jedermanns Schätzchen.

Herr Sick, wenn Ihnen vor fünf Jahren jemand gesagt hätte, dass Sie heute als eine Art Popstar der deutschen Sprache durch große Hallen im ganzen Land ziehen, hätten Sie ihm geglaubt?Sick: Lassen Sie mich mal kurz zurückrechnen. Vor fünf Jahren war ich Schlussredakteur bei Spiegel Online, und die Schlussredaktion wurde gerade aufgelöst. Dem Betriebsrat ist es zu verdanken, dass ich als Einziger bleiben konnte. Ich habe meine Arbeit nicht unbedingt geliebt, aber sehr ernst genommen. Und so fing ich an, den Kollegen meine Anmerkungen zu Sprache und Stil in kleinen E-Mails zuzuschicken. Damals hatte ich nicht die geringste Ahnung, was daraus einmal werden würde."Ich bin auch kein Besserwisser"

Da waren Sie als notorischer Besserwisser bei Ihren Kollegen wahrscheinlich nicht so beliebt?Sick: Ich wurde nicht für Beliebtheit bezahlt. Es war mein Job, dafür zu sorgen, dass auf unserer Website so wenig Fehler wie möglich auftauchten. Die meisten Kollegen waren mir für meine Anregungen sehr dankbar. Ich bin auch kein Besserwisser. Ich verbessere andere nur, wenn es gewünscht wird. Inzwischen sind Sie ja in Journalistenkreisen fast schon gefürchtet. Früher hat man bei einer misslungenen Formulierung immer gesagt: Hoffentlich kommt das nicht in den Hohlspiegel. Heute sagt man: Hoffentlich schickt das keiner dem Sick!Sick: Tatsächlich? Wenn ich es schon zur Redewendung gebracht habe, ehrt mich das natürlich. Aber wer sich vor mir fürchtet, macht sich ein falsches Bild. Ich stelle niemanden bloß. Ich lache gern über Fehler, aber ich lache nicht über die Menschen, die diese Fehler begehen: Das ist ein Unterschied! Ich müsste mich sonst ständig selbst auslachen, denn auch ich mache immer wieder Fehler. 50 große Hallen in großen Städten - Ihre Tour hat Dimensionen, die sonst höchstens Bap, David Copperfield oder Karl Moik erreichen. Sie verkaufen Millionen Bücher. Was sind das für Leute, die sich für Bastian Sick interessieren?Sick: Es sind Menschen aller Altersklassen und verschiedenster Berufe. Längst nicht nur Lehrer. Zu mir kommen Akademiker, Taxifahrer, Polizisten, Verkäufer, Ärzte und Studenten. Die Mehrheit meiner Schau-Besucher ist weiblich. Ist es Ihnen denn schon mal passiert, dass alternde Deutschlehrerinnen nach der Veranstaltung zu Ihnen kommen und sagen: "Bastian, ich will ein Kind von dir, du bist die letzte Hoffnung der deutschen Sprache"?"Gepflegte Sprache ist wichtig"

Sick: Es kommen eher junge Studentinnen zu mir - und die sind oftmals ganz hinreißend und auf jeden Fall sehr wohlerzogen. In der Diskussion um die Sprache hört man zwar die ältere Generation am lautesten, aber auch Jüngere machen sich um ihre Sprache Gedanken. Sie sind sich dessen bewusst, dass eine gepflegte Sprache genauso wichtig ist wie korrekte Umgangsformen und eine passable Erscheinung. Ein richtiger Konjunktiv II im Vorstellungsgespräch, und Sie schlagen alle Mitbewerber aus dem Feld. Sie haben 15 000 Besucher zur größten Deutschstunde der Welt in die Köln-Arena gelockt. Das muss doch ein irres Gefühl sein, mit so einem Thema als Star vor einem Riesen-Publikum zu stehen …Sick: Ich kann mir jetzt vorstellen, wie sich Fußballprofis fühlen, wenn sie in ein Stadion einlaufen. Lesungen in Buchhandlungen und kleineren Sälen kannte ich ja, aber so eine riesige Halle hat ganz andere Gesetze. Ich habe mir einfach gesagt: Augen zu und durch. Und das war schon ein ziemlich berauschendes Gefühl. Nicht jeder Journalist ist ein geborener Entertainer. Jetzt tragen Sie eine ganze Schau auf Ihren Schultern. Wie bereitet man sich darauf vor?Sick: Eine gewisse Affinität zur Bühne hatte ich schon immer, aber ich habe nie Schauspiel- oder Sprechunterricht genommen. Das steckt einfach so in mir. Ein paar Techniken würde ich gerne erlernen, um noch besser zu werden. Wenn die Tour zu Ende ist, werden über 50 000 Menschen Sie live gesehen haben, Ihre Bücher-Auflage erreicht drei Millionen. Wie passt das zu der vorherrschenden Tendenz zur Sprachverschluderung?Sick: Aus dem Umstand, dass die Sprache von vielen mit Füßen getreten wird, kann man nicht schließen, dass sich keiner mehr für sie interessierte. Im Gegenteil: Da ist wirklich eine ganz massive Klientel, die das nicht einfach so hinnehmen will. Ihr Kult-Status treibt ja schon ungewöhnliche Blüten. Jetzt erscheint eine CD mit dem Titel "Bastian Sick präsentiert Udo Jürgens". Sind Sie inzwischen so weit oben, oder ist Udo Jürgens auf dem absteigenden Ast?Sick: Können Sie bitte etwas genauer erklären, wie Sie das meinen? Wenn eine Plattenfirma so etwas unter diesem Signet veröffentlicht, nimmt sie ja offenbar an, dass sich Udo Jürgens viel besser verkauft, wenn ihn Bastian Sick empfiehlt. Das ist doch schon ein Ding, oder?Sick: Ach so. Nein, es steckt gar nicht so viel dahinter. Ich habe mal in einem Interview gesagt, dass ich Udo Jürgens sehr schätze. Daraufhin hat mich seine Plattenfirma angerufen und gefragt, ob ich nicht Lust hätte, eine CD mit meinen Lieblingstiteln von Udo Jürgens zusammenzustellen. Welcher Fan würde da Nein sagen? Vom Feuilleton wurde Udo Jürgens jahrzehntelang als "Schlagerfuzzi" abgetan. Ich liefere den Beweis, dass Udo Jürgens ein erstklassiger Chansonnier ist. Am 10. März sind Sie in Trier …Sick: Ja, darauf freue ich mich schon besonders. Die Stadt Trier hat viel zu bieten, gerade auch in sprachlicher Hinsicht. Die Fragen stellte TV-Redakteur Dieter Lintz.

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