"Dauerläufer" der Liedermacher: Reinhard Mey wird 70

Berlin · "Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein" - mit diesem Song machte sich Reinhard Mey unvergessen. Heute wird der Liedermacher 70.

Berlin. Reinhard Mey gilt als der wohl erfolgreichste "Dauerläufer" unter den deutschen Liedermachern. Einmal ist er der melancholisch-poetische Chansonnier ("Über den Wolken"), dann wieder der temperamentvolle Sänger mit dem bissig-ironischen Blick auf die Alltagsrealitäten ("Ich bin Klempner von Beruf"). Davon zeugen mittlerweile 60 Alben mit über 500 Liedern. Heute wird Reinhard Mey 70 Jahre alt - in aller Stille.
Dabei hat der Berliner "Poet für das Hier und Jetzt" mit einer starken Neigung zur französischen Lebensart kein Verhältnis zu solch nackten Zahlen. Schon zum offiziellen Rentenalter sagte der dreifache Vater: "Das ist mir völlig schnurzpiepe. Es gibt viel einschneidendere Dinge, zum Beispiel, wenn ein Kind aus dem Haus geht."
Der gelernte Industriekaufmann Mey hatte seine Musiker-Karriere als "Barde mit der Gitarre" ("Ich wollte wie Orpheus singen") in den 60er Jahren in Frankreich als Frédérik Mey begonnen, später vor allem in West-Berliner Szene-Lokalen, als auch Kollegen wie Hannes Wader oder Klaus Hoffmann ihre ersten Kneipen-Auftritte hatten. Mey blieb aber der große Einzelgänger unter den deutschen Liedermachern. Schon 1962 vertonte er Balladen von François Villon. Zu seinen späteren Erfolgen gehören Songs wie "Ankomme Freitag, den 13.", "Diplomatenjagd" und "Gute Nacht Freunde, es wird Zeit für mich zu geh\'n". Den größten Hit landete der leidenschaftliche Amateurpilot allerdings mit dem Evergreen "Über den Wolken".
"Ich habe Grund zu Dankbarkeit, dass ich mit heilen Knochen und ohne straffällig zu werden, so alt geworden bin", schreibt Mey auf seiner Webseite: "Keine Mega-Party, kein Aufriss, kein Fernsehen, kein Radio, keine Interviews. Ich habe euch mein Leben in meinen Liedern erzählt." Das Leben habe ihn "mit Geschenken überhäuft, mit Glück und Liebe überschüttet und, wie um Gleichgewicht und Gerechtigkeit wiederherzustellen, auch mit dem größten Schmerz".
Meys damals 27-jähriger Sohn Maximilian war 2009 bei einem Auslandsaufenthalt schwer erkrankt. Der Vater teilte das seinerzeit der Öffentlichkeit mit, wahrt seitdem aber Stillschweigen, um die Privatsphäre der Familie zu schützen. Auf seinem 2010 erschienenen Album "Mairegen" heißt es: "Hast dein Licht an beiden Seiten angezündet, nun ringt es flackernd um seinen Schein, mein fernes, mein geliebtes Kind, schlaf ein." Mey stammt aus Berlin ("Als die ersten Bomben fielen, kam ich grade auf die Welt") und entwickelte eine Art Hassliebe zu seiner Heimatstadt. Kritiker warfen ihm gelegentlich eine musikalisch zunehmende Gleichförmigkeit vor, andere lobten ihn als "stille, ehrliche Kraftquelle" für den Alltag.
Auch nach Jahrzehnten sind seine Tourneen immer noch ausverkauft. Die nächste 60-Städte-Tour ist für 2014 geplant. Schon im Mai 2013 erscheint das nächste Album. Titel: "Dann mach\'s gut". red

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