Denkmalschutz oder nicht? Der Nazi-Architekt und sein grauer Würfel - Debatte über Trierer Theaterbau

Trier · Sollte man das Trierer Theater unter Denkmalschutz stellen? Die zuständige Behörde sagte 2015 ganz klar: Nein. Damit, dass der Architekt auch verrückte Nazi-Städte entwarf, hatte das nichts zu tun.

 Ein luftiges Foyer voll geometrischer Formen. Das Theater Trier in den 1960er Jahren.

Ein luftiges Foyer voll geometrischer Formen. Das Theater Trier in den 1960er Jahren.

Foto: Friedemann Vetter

Nix da stille Nacht und O Du Fröhliche. Seit bekannt ist, dass die Trierer Grünen bei der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) beantragt haben, das Trierer Theater unter Denkmalschutz zu stellen, wird in den sozialen Medien wieder heftig über das Haus gestritten, das in den vergangenen Jahren so oft Gegenstand erbitterter Debatten war sich gerade erst von einer existenziellen Krise erholt hat.

Viele fürchten, dass die geplante Sanierung des Dreispartenhauses viel teurer werden und länger dauern könnte, falls das 1964 eröffnete Gebäude tatsächlich zum Denkmal wird. Manche schlagen voller Ironie vor, die Trierer Tankstelle „blaue Lagune“, die Kaufland-Fassade oder das alte Polizeipräsidium in der Südallee auch unter Denkmalschutz zu stellen – als architektonisches Meisterwerk der Waschbetonära. Andere plädieren für einen Abriss des grauen Würfelbaus. Und wieder andere begrüßen den Vorschlag – der allerdings keineswegs neu ist.

Klares Urteil: Das ist kein Denkmal

Bereits 2015 hatte die GDKE auf Bitte der Stadtverwaltung überprüft, ob das Haus unter Schutz gestellt werden sollte. Und sie kam zu einem eindeutigen Urteil: „Das Stadttheater ist kein Kulturdenkmal.“ Im Juli 2015 teilte die obere Denkmalschutzbehörde der Stadt und dem Trierer Denkmalpflegebeirat auch mit, warum das Theater diesen Status nicht verdiene. Ein zentraler Grund dafür war nach TV-Informationen, dass die ursprünglichen Pläne des Architekten Gerhard Graubner stark reduziert werden mussten. Eigentlich sollte der Bau nämlich auf der Freifläche der Kaiserthermen entstehen. Nach Protesten aus der Fachwelt entschied man sich dann, an den Augustinerhof auszuweichen, musste den der Antoniuskirche zugewandten Theatertrakt dafür jedoch stark verändern. Dies hatte unter anderem zur Folge, dass man nicht direkt von der Probenbühne zur Bühne gelangen kann. „Nicht nur wegen dieser Reduktion und deren Folgen hat der gesamte Bau keine so besondere architektonische Qualität, die ihn von anderen Bühnenbauten abheben und eine Unterschutzstellung rechtfertigen würde“, heißt es in dem nicht-öffentlichen Schreiben. Zudem seien – vor allem im Foyer – viele der bauzeittypischen Details verschwunden.

Nichts an alledem hat sich seitdem geändert. Wird die GDKE das Prüfverfahren nun komplett neu aufrollen? Oder sich einfach auf ihr Urteil von 2015 berufen? Fragen, auf die es am Montag keine Antworten gab, da die zuständigen Mitarbeiter bereits im Weihnachtsurlaub waren.

Geschmackssache: Die Ästhetik

Bei Facebook muss man nicht lange suchen, um Menschen zu finden, die den schlichten, von dunklem Metall und Glas geprägten Würfelbau so hässlich finden, dass sie ihn gerne abreißen lassen würden. Prominente Architekten hingegen machen sich seit Jahren Sorgen um das Gebäude. Es sei unbedingt schützens- und erhaltenswert, sei eines der wenigen guten Architekturbeispiele unserer Zeit, sagte Alois Peitz, ehemaliger Diözesanarchitekt des Bistums Trier, als die gleiche Debatte 2015 geführt wurde. Er schwärmte vom „reizvollen Wechsel aus Material- und Raumbildern“ und der Idee, die Inhalte des Theaters durch Transparenz Richtung Stadt zu öffnen.

Tobias Scharfenberger, Intendant des Mosel Musikfestivals, lobt (bei aller Kritik, die er für das Vorgehen der Grünen hat) in der aktuellen Debatte, den „sehr demokratischen Zuschauerraum, in dem man von nahezu allen Plätzen gleich gut das Bühnengeschehen verfolgen kann“. Auch der gläserne Umlauf im ersten Stock sei ein durchaus bemerkenswertes architektonisches Alleinstellungsmerkmal des Hauses am Augustinerhof. Graubner sei zudem als Vertreter der Stuttgarter Schule fraglos ein die deutsche Nachkriegs-Theaterarchitektur prägender Architekt gewesen. Zahlreiche Bühnen hat er entworfen, unter anderem in Bremerhaven, Bochum, Lünen, München, Krefeld oder Wuppertal.

„Verschwiegen werden sollte aber auch nicht seine NSDAP-Mitgliedschaft seit 1939 und sein Wirken für den NSDAP-Gauleiter Friedrich Karl Florian“, findet Scharfenberger.

Fragwürdig: Der Architekt

Gerhard Graubner (geboren 1899 in Estland, gestorben 1970 in Hannover) war – bevor er sich auf Theater spezialisierte – als Architekt an zahlreichen Prestige-Objekten der Nazi-Diktatur beteiligt. 1935 bis 36 wirkte er am Reichssportfeld und Olympiastadion in Berlin mit. 1938 war er für die Bauten der Reichsgartenschau in Stuttgart verantwortlich. In  typisch nationalsozialistischer Bauweise entwarf er dort die  „Ehrenhalle des Reichsnährstandes“ samt Riesen-Reichsadler.

Im Auftrag von Nazi-Größen wie dem Gauleiter Friedrich Karl Florian plante er aber auch ganze Städte. So sollte er Düsseldorf radikal als Gauhauptstadt ausbauen, als  „Stadt des schaffenden Volkes“. Nach Berliner Vorbild entwarf Graubner ein monumentales Achsenkreuz, dessen Drehscheibe der historische Düsseldorfer Hofgarten sein sollte. Eine riesige Oper war ebenso vorgesehen wie ein Gauleitergebäude mit einem Hunderte Meter hohen Turm oder eine „Kraft-durch-Freude-Stadt“ mit riesigen Hotels. Mehr Infos zu diesen nie realisierten Plänen finden sich in Publikationen der Kunstgeschichtlerin Stefanie Schäfers.

Noch skurriler waren Graubners Visionen für Hannover, wo er an der Technischen Hochschule lehrte: Um die Stadt im Luftkrieg wehrhaft zu machen, wollte er weite Teile des täglichen Lebens unter die Erde verlegen. Pläne, die schon damals umstritten waren und so spektakulär, dass die Technische Hochschule fürchten musste, auch nach dem Krieg mit dem nationalsozialistischen Engagement ihres Professors in Verbindung gebracht zu werden. Wie aus einem Text von Frauke Steffens über die Hochschulpolitik in Niedersachsen nach 1945 hervorgeht, wehrten sich Graubners Kollegen vehement gegen dessen Wiederzulassung. Bitter habe die Hannoversche Presse 1947 notiert: „Wer an seinem Amtszimmer ein Schild anbringen darf ,Beauftragter des Führers’, der wird natürlich nicht Soldat. Während die Dummen an der Ostfront sterben, entwirft Graubner im Rahmen des ,Einsatzstabes Rosenberg’ ihre Friedhöfe.“ Und so ließ Graubner seine Tätigkeit in Hannover ruhen und plante Theater.

Eines davon steht bereits seit dem Jahr 2000 unter Denkmalschutz: das Wuppertaler Schauspielhaus. Ein Stahlbetonbau, der wegen der schlechten Finanzlage der Stadt seit Jahren leersteht. Selbst der Abriss drohte. Nun soll es zur Bühne für das Wuppertaler Tanztheater werden. Der Grundsatzbeschluss für die rund 58 Millionen Euro teure Sanierung ist gefasst. Baustart soll 2022 sein, Eröffnung 2026. Wenn denn nichts dazwischenkommt...

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