Demokratische Baumeister, Alt-Revoluzzer in Bayreuth und Veteranen im Sattel

Dass Architekten als Repräsentanten einer ganzen gesellschaftlichen Epoche gelten, ist selten. Günter Behnisch wurde eine solche Bedeutung in den Reifejahren der Bonner Republik zugemessen.

Der Konstrukteur des Münchener Olympiastadions, des gläsernen Plenarsaals und der Berliner Akademie der Künste firmierte als Vorreiter einer demokratischen, von Größenwahn fernen und trotzdem nicht kleinlich-rationalen Architektur. Im Alter von 88 Jahren starb er Anfang der Woche in seiner Wahlheimat Stuttgart.

Die Bayreuther Festspiele gelten nicht unbedingt als Hort basisdemokratischer Kultur. Was aber die Repräsentanten der Demokratie nicht davon abhält, bei der Eröffnung Ende kommender Woche dabei zu sein.

Angela Merkel
kommt wie immer gern, aus der Ministerriege sind die Amtsträger Westerwelle, Leutheusser-Schnarrenberger, Ramsauer, Schröder und Lokalmatator zu Guttenberg angesagt. Sogar Rainer Brüderle kommt - hoffentlich nicht in der Annahme, beim "Grünen Hügel" handele es sich um einen Weinberg und bei Elsa von Brabant um eine zu küssende Weinkönigin. Letztere ist eine der Hauptfiguren von Lohengrin, und Meister Wagners romantisches Drama wird, mein lieber Schwan, von Uralt-Regie-Revoluzzer Hans Neuenfels in Szene gesetzt. Hoffentlich hat er sich ein bisschen von der Subversivität bewahrt, die ihn einst in den Sechzigern als junger Theater-Dramaturg in Trier den Abriss des Doms fordern ließ - was seine Laufbahn an der Mosel abrupt beendete, der Karriere aber ansonsten durchaus förderlich war.

Eine Karriere hat Kult-Regisseur David Lynch (Blue Velvet, Twin Peaks) nicht mehr nötig , aber Geld für seinen neuen, unabhängig produzierten Film muss er trotzdem auftreiben. Nun versucht er eine Art Zuschauer-Fundraising: Für 50 Dollar Sponsoring kann man ein T-Shirt mit aufgedrucktem Selbstporträt des Regisseurs erwerben. Exklusiv, wie es heißt.

Einem exklusiven Publikum ist auch die direkte Besichtigung des neuesten Werkes des chinesischen Künstlers Ai Weiwei vorbehalten. Der bekannte Regimekritiker hat einen vier Tonnen schweren Stein am Gipfel des österreichischen Dachstein-Berges installiert. Der Brocken stammt aus der Provinz Sichuan und soll laut Ai Weiwei auf Mängel im Bauwesen Chinas aufmerksam machen. Örtliche Naturschützer beklagen hingegen die Mängel, die am Berg durch "hochalpine Gipfelinszenierungen entstehen".

Vor Inszenierungen schützt nicht einmal hohes Alter: "Winnetou" Pierre Brice wandelt auf den Pfaden von Johannes Heesters und singt mit stolzen 82 beim Musical "Der Traum von Freiheit" in Cuxhaven. Auf dass die Silberbüchse niemals zittert.

Dieter Lintz

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