Den Brahms kräftig durchgelüftet

Trier · Mit einem spannenden Programm und einem ebensolchen Ensemble hat die Kammermusikalische Vereinigung Trier ihr Konzertjahr eingeläutet. Vor rund 150 Zuhörern intonierte das Kölner Streichsextett im Kurfürstlichen Palais Werke von Brahms und Strauss.

Trier. Spielfreudig, musikantisch, aber kein bisschen altbacken: Mit fast sportlichem Elan hat das Kölner Streichsextett die Saison der Kammermusikalischen Vereinigung Trier eröffnet. Mitgebracht hat das angesehene Ensemble um seinen Gründer Demetrios Polyzoides (Violine) ein Programm, das auch von der intensiven Beschäftigung des Sextetts mit avantgardistischer Musik profitierte. Wer sich im Kurfürstlichen Palais schon wohlig zurückgelehnt hatte, um im Glanz der Kronleuchter in harmonischen Klängen der Romantik zu schwelgen, wurde deshalb eher verstört - zumal bei Johannes Brahms Streichsextett Nr.1.
Brahms Kompositionsprinzip heiße Freiheit, hatte schon Theodor Adorno festgestellt. Was der Philosoph damit meinte, demonstriert das berühmte Violinenkonzert aus Brahms sogenannter "erster Reife" eindrucksvoll: Der Reiz und die Herausforderung des Werks bestehen gleichermaßen im freien Umgang des Komponisten mit der Satztechnik als auch in der Tonalität, dem Regelwerk des Tonsystems.
Kraft und straffes Tempo


Die Kölner Musiker lüfteten mit ihrer Interpretation kräftig durch. Sie setzten auf Kraft und straffes Tempo, mit denen es ihnen gelang, das kontroverse Stück zusammenzuhalten. Allerdings wurde durch all den frischem Wind auch vieles verweht, das eigentlich unentbehrlich ist: Die lyrischen Passagen blieben ebenso auf der Strecke wie eine Tiefe und fein nuancierte Ausdeutung. Besonders das Scherzo litt unter fehlender Präzision.
Begonnen hatte der Abend mit einem schönen, mit getragenem Ernst gespielten "Capriccio" von Richard Strauss, bei dem die Streicher einen wunderbar dunklen Klangteppich auslegten. Spannend blieb das Programm auch in der zweiten Hälfte mit Beethovens sechste Sinfonie, der "Pastorale" in der Bearbeitung für Streichsextette von Michael Gotthard Fischer (1810). Man mag darüber streiten, obsolch eine Bearbeitung heute noch Sinn macht.
Die Interpretation der Kölner bestätigte aber die Aktualität des Werks. Der großen vielfarbigen Klanglandschaft der Sinfonie setzten sie ein intimes Kabinettstück entgegen, dem großen Schauspiel ein nuancenreiches Kammerspiel der Seele voller Klangsinnlichkeit, tiefem Gefühl und höchster Dramatik. So als spiegele sich - ganz im Sinn der Romantik - im großen Naturbild der Sinfonie auch die Natur der eigenen Seele.
Extra

14. November: Daedalus Quartett mit Werken von Joseph Haydn, Alban Berg, Ludwig van Beethoven 23. Januar: Cello Duello mit Werken von Joseph Haydn, Jan Müller-Wieland, Adrien-François Servais, David Popper, Niccolo Paganini 6. Februar: Trio Bamberg mit Werken von James MacMillan, Ludwig van Beethoven, Dimitrij Schostakowitsch 20. März: Voces Quartett mit Werken von Wolfgang Amadeus Mozart, George Enescu, Johannes Brahms red

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