Den Hexenanwalt hätte es sicher gefreut

TRIER. In der Weihnachtszeit 1964 gab er sein erstes Konzert. Seither ist der Spee-Chor eine wichtige Initiative in der Trierer Kultur.

"Spee-Chor - der Name ist Programm", sagt Chorleiter Martin Folz. Und tatsächlich klingt in seiner jetzt 40jährigen Geschichte an, was Friedrich Spee von Langenfeld auszeichnete, den Jesuiten, Liederdichter und Hexenanwalt, der 1635 in Trier verstarb. Der tat sich hervor durch seine tiefe, unkonventionelle Frömmigkeit, sein unschematisches, aufklärerisches Denken und sein bedingungsloses Engagement - für verfolgte Frauen, für verwundete Soldaten. Und er schrieb wunderbar innige Kirchenlieder. Für die steht der kämpferisch-besinnliche Titel seiner Sammlung beispielhaft: "Trutznachtigall". Es waren der frühe Eindruck von dieser Persönlichkeit, ein Stück lokaler Identifikation und persönlicher Erfahrung, die Karl Berg bewogen, die von ihm gegründete Formation "Friedrich-von-Spee-Chor" zu nennen. Mit Spee war der gebürtige Moselaner von Jugend auf vertraut. Als der passionierte Pädagoge dann nach Kriegsdienst, schwerer Verwundung, Neuanfang als Lehrer und späterem Aufstieg zum Dozenten im Jahr 1964 einen Chor gründete, lag der Name Spee nahe. Denn der "Spee-Chor" sollte kein Verein unter anderen werden, sondern einen nachhaltigen, ganz eigenständigen und persönlichen Akzent im Kulturleben setzen. Und etwas Originelles, Widerständiges, Emotionsstarkes und ungemein Vitales hat dieser Chor mit seinen rund 100 Mitgliedern bis heute behalten. So wie Karl Berg sicherlich nicht immer leicht zu nehmen war und doch viele Menschen mit seinem Einsatz und seiner Kompetenz begeisterte.Mit Musik gegen die Verletzungen des Krieges

Es waren seine Offenen Singen, die in den 50er Jahren die jungen Menschen anzogen und dabei wohl auch etwas von den Verletzungen der Kriegs- und Nachkriegszeit heilten. Joachim Burg, fast von Beginn an im Spee-Chor, erzählt, dass er durch diese Offenen Singen Karl Berg kennen- und schätzen gelernt hat. Und die Singbegeisterung junger Menschen führte schließlich zum Spee-Chor. Der gab sein erstes Konzert Ende 1964. Das war der Beginn einer ungemein lebendigen und spannenden Zeit. "Wir waren mit Leib und Seele dabei", sagt Joachim Burg heute. Und Dabeisein hieß nicht nur Singen, sondern beachtliche Beträge in die Chorkasse zahlen, organisieren, nachts Plakate kleben - sich eben ganz für den Chor und seine Sache einzusetzen. Seine Sache war die Musik - unabhängig von Institutionen wie Kirche, Staat und Theater. Der Spee-Chor verstand sich von Anfang an als musikalische Bürgerinitiative, als überpolitische und überkonfessionelle Vereinigung, die im Geistigen und Geistlichen wurzelt. Er löste sich von den Konventionen des traditionellen Chorwesens, brachte frischen Wind in die Chorszene und neue Musik ebenfalls. 1964 war der Chor des Städtischen Musikvereins längst im Niedergang begriffen. Wie auch der Trierer Kammerchor und wenig später der Bach-Chor der Evangelischen Kirchengemeinde füllte der Spee-Chor das entstandene Vakuum. Da trat eine neue Generation mit neuen Vorstellungen an. Sehr rasch konzentrierten sich Sängerinnen, Sänger und Leiter auf Johann Sebastian Bachs geistliche Musik. Die war in Trier bisher fast nur durch die Matthäuspassion präsent. Jetzt erklangen Kantaten, Motetten, die h-Moll-Messe, auch die Konzerte des Thomaskantors. Ein neues Kapitel zum historisch hochinteressanten Thema "Bach in Trier". 1971 gründete Karl Berg die Konzertreihe Festliche Musiktage, 1978 die Internationalen Meisterkurse. Immer deutlicher entwickelte sich der Chor zum Konzertveranstalter, ohne an musikalischer Qualität einzubüßen. Interpreten wie die Blockflötistin Michala Petri, das Amsterdam Loeki Stardust Quartett oder die Münchner Singphoniker traten in Trier auf, bevor sie berühmt wurden. Wie wichtig die private Initiative war, zeigte sich, als Musiktage und Meisterkurse an die Stadt fielen. Mittlerweile sind sie sang- und klanglos untergegangen. Beim Wechsel beweist sich Stabilität. Als Karl Berg im Herbst 1992 überraschend die Leitung niederlegte, war es zunächst Gerd Demerath, der für den Übergang in die Lücke sprang. Aber sehr rasch haben die Sängerinnen und Sänger einen neuen Leiter gefunden, haben die Mittel für dessen Gehalt aufgebracht und sich damit als eigenständige Institution bewährt. Dass Martin Folz für den Chor und das Trierer Kulturleben ein Glücksfall geworden ist, bestreitet wohl niemand mehr. Der neue Leiter hat Ideen eingebracht, aber einen Umbruch in der Programmgestaltung geschickt vermieden. Beides hat die Unternehmung zukunftssicher gemacht. Der Spee-Chor ist nach 40 Jahren so lebendig wie eh und je.

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