Den Plunder in Form bringen

TRIER. Kunst ohne Grenzen: Der Maler und Graphiker Manfred Freitag ist Ramboux-Preisträger 2006. Am Freitag, 24. November, erhält der Künstler den Preis der Stadt Trier für sein Lebenswerk.

"Kunst ist für mich Leben." Die Antwort kommt ohne Zögern. Und noch bei einer anderen Frage muss Manfred Freitag nicht lange nachdenken. Das Schönste am künstlerischen Schaffen sei der fortwährende Austausch von Ideen und die Suche nach neuen Wegen, bekennt der Maler und Graphiker. Hoch hinauf muss man steigen in sein Atelier mit dem atemberaubenden Ausblick am steilen Hang von Oberbillig. Weit ins europäische Grenzland reicht der Blick. Auch das gehört zu Manfred Freitags Bildfindung. Europäische Kunst und Kultur haben den Menschen und Künstler geprägt. "Ich bin immer über die Grenzen gegangen", sagt Freitag und das ist mehr als eine geographische Wegbeschreibung. Mit dem grenzüberschreitenden Austausch fing es für den 1934 geborenen Berliner 1959 in Salzburg bei Oskar Kokoschka an. Dorthin hatte das Land Rheinland-Pfalz den hoffnungsvollen Absolventen der Trierer Werkkunstschule und Schüler von Reinhard Heß als Stipendiaten geschickt. "Damals habe ich den Wind der weiten Welt gespürt", erinnert sich der Künstler. "Das Sehen habe ich dabei auch gelernt." Auf europäische Frischluft mag der Maler bis heute nicht verzichten. Nicht nur dass er fast täglich auf die andere Moselseite zur Zeitungslektüre ins luxemburgische Grevenmacher wechselt. Wer den grauhaarigen Herrn mit dem Schnauzer und den aufmerksamen Augen erlebt, wie er perfekt Französisch oder Luxemburgisch parlierend, durch die Kunsträume der Großregion flaniert, mag ihn für einen Franzosen halten. Dass er - womöglich als einziger Berliner - die nachbarliche Mundart beherrscht, ist ihm selbstverständlich. Die Lust auf Neues war schon dem Studenten eigen. Gleich im zweiten Semester hatte er den Nachtzug nach Paris genommen. "Zum ersten Mal einem Bild von Picasso gegenüberzustehen, war etwas Unglaubliches". Mit den Künstlern der ersten Nachkriegsstunde machte sich Freitag in eine neue abstrakte Kunstzeit auf. Auf der Teilnehmerliste jener Mainzer Ausstellung "Aufbruch nach 1945" findet sich auch sein Name. Ein Genießer ist der Maler, ein "Bonvivant": Viel französische Moderne ist im Frühwerk, ausdrucksstarke Farbfelder kennzeichnen die Jahre danach. Bald wurde die Geste freier, der Farbauftrag energischer. Mit seinen materialreichen Assemblagen und "Fundstücken", die er auf Spaziergängen sammelt, dockten Freitags Bildideen schließlich wieder am wirklichen Leben an. Befragt nach dem "Sperrmüll" in seinen Bildern zitiert er seinen Schweizer Kollegen Daniel Spörri: "Ich bin eine Art Clochard, der in der Welt herumspaziert und den Plunder, den er sieht, in gedankliche Form bringt." Früh fand seine Arbeit Anerkennung. 1978 erhielt er den Staatspreis des Landes Rheinland-Pfalz, 2004 ehrte ihn die Stadt Prüm auf Vorschlag der Europäischen Vereinigung Bildender Künstler aus Eifel und Ardennen mit dem Kaiser-Lothar Preis.

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