Der Chor der Verärgerten

Trier · Die ab 1. Januar 2013 greifenden neuen Tarife der Verwertungsgesellschaft Gema stoßen bei Musikveranstaltern in der Region auf Kritik. Teurer wird es nicht nur für Disco-Betreiber.

 Die Gema und das Geld: Wer bei einer Veranstaltung Musik spielt, muss zahlen – und bald womöglich mehr.Foto: iStock

Die Gema und das Geld: Wer bei einer Veranstaltung Musik spielt, muss zahlen – und bald womöglich mehr.Foto: iStock

Trier. "Your disco needs you", mit dieser vertonten Botschaft zerrte Kylie Minogue vor einigen Jahren viele bereitwillige Helfer auf die Tanzfläche. Musikalisch mag das für den House-DJ und Veranstalter Michael Rausch nicht ganz oben auf der Playlist stehen. Aber dass Clubs und Discos nach der geplanten Gema-Tarifumstellung ab Januar 2013 dringend Unterstützung brauchen werden, das ist für ihn klar. Rausch ist für das Programm im Club 11 verantwortlich, einem eher kleinen Kellerclub gleich neben der Porta Nigra. Ob er künftig sparen wird? Schließlich sollen laut der Verwertungsgesellschaft Gema nach den neuen Tarifen "rund 60 Prozent" aller Veranstaltungen billiger werden oder nicht betroffen sein. Letzteres gilt für reine Konzertveranstaltungen.
Pauschalen fallen weg


"Für wen die neuen Gema-Tarife günstiger werden sollen, können wir nicht erkennen", sagt Michael Rausch. "Auch bei einem eher kleinen Club wie dem Club 11 wird es signifikant teurer - vor allem beim üblichen Eintritt von sechs Euro und wenn länger als fünf Stunden Musik läuft." Wesentlich höher dürfte auch die Abgabe an die Gema bei Gratis-Festivals und Festen werden.
"Das wird überproportional teurer", sagt Rausch etwa mit Blick auf die Kosten beim Electronic-River-Festival im Rahmen des Trierer Moselfests in Zurlauben. Bei Festivals mit freiem Eintritt werde die Zuschauerzahl anhand der Größe des Veranstaltungsgeländes geschätzt. An der Zahl orientiert sich die Summe. Auch sonst gilt: Der neue Tarif richtet sich nach Raumgröße und Eintrittsgeld, linear gestaffelt je 100 Quadratmeter und ein Euro Eintritt. Für Discos wird es unter anderem deshalb massiv teurer, weil Pauschalen wegfallen werden. Konnte man bisher bis 16 Veranstaltungen pauschal bezahlen, soll künftig jede einzeln berechnet werden. Keine großen Sorgen macht sich Ron Simon vom Riez-Team in Bausendorf-Olkenbach. Das bringt das Punkrock-Festival Riez Open Air auf die Bühne, aber auch kleinere Shows. "Die Gema-Kosten fürs Open Air könnten etwas steigen. Vielleicht werden aber kleinere Songwriter-Konzerte in der Kneipe etwas günstiger für uns."
Tausende unterzeichnen Petition


So kommt es vor, dass ein Veranstalter mehr an die Gema zahlt als an Gage für die Band. "Wenn die Gema-Gebühr an die Künstler geht, ist das durchaus positiv", sagt Ron Simon. Es fehle aber an Transparenz: "Man weiß nicht genau, was mit dem Geld passiert und wie es verteilt wird." Im Internet machen derweil die Gegner der neuen Tarife mobil - per Online-Petition, die innerhalb von wenigen Tagen bereits über 21 000-mal unterzeichnet worden ist.
Meinung

Spiel mir das Lied vom Tod
Übersichtlicher, fairer, einfacher. Billiger für die "Kleinen" und teurer für die Profis: Ja, so kann man die neuen Tarife der Gema im PR-Deutsch auf den Bierdeckel kritzeln, ohne sich gleich wie Pinocchio fühlen zu müssen. Die Gema hat eine wichtige Funktion als mächtiger Geldeintreiber für Musiker und Texter. Sie sorgt dafür, dass Künstler bezahlt werden - und das ist gut so, auch wenn bei der Verteilung der Summen Reformbedarf besteht. Die andere Hälfte der Wahrheit sieht aber so aus: Mit den neuen Tarifen werden nicht nur Profi-Veranstalter und Disco-Betreiber eine Kostenexplosion erleben, der sie sich machtlos ausgeliefert sehen. Auch Macher von Straßen-, Sport- und Weinfesten werden sich fragen müssen, ob bei steigenden Kosten Aufwand und Ertrag noch im gesunden Verhältnis stehen oder ob man "Spiel\' mir das Lied vom Tod" zum Abspann auflegt. Spannend ist die Frage, ob die Gesellschaft als Quasi-Monopolist (theoretisch ist auch in Deutschland Konkurrenz möglich!) weiter Tarife nach eigenem Ermessen erstellen darf. Tja, wieso eigentlich? a.feichtner@volksfreund.deExtra

Stimmen: Robert Ziewers (Kassenwart beim HFC Trierweiler, Turnier-Ausrichter): "Wir zahlen für Musik, wenn wir Sportfeste beschallen. Da sind schnell mal 150 Euro fällig - allein dafür, dass ein Radio am Bierstand dudelt. Wenn dann ein Viertel des Gewinns nur für die GEMA draufgeht, erscheint mir das unverhältnismäßig. Wenn wir eine Veranstaltung mit einer Liveband haben - das wird dann richtig teuer!" Oliver Thome (Poppconcerts, Trier) "Die Gema-Gebühren haben sich in den vergangenen Jahren für Konzertveranstalter erheblich erhöht und steigen auch weiter." (Reine Konzertveranstaltungen sind aber von den oben genannten neuen Tarifen nicht betroffen). Peter Hahn (Ducsaal, Freudenburg): "Neu ist, dass die tatsächlichen Einnahmen prozentual berechnet werden. Das kann unter Umständen in kleinen Clubs zu Verbesserungen führen, da hier seltener Festgagen gezahlt werden, sondern Beteiligungen am tatsächlichen Besuch vereinbart werden. Die Frage ist aber, ob sich die Künstler künftig darauf einlassen, zu niedrigeren Eintrittspreisen aufzutreten." Die Gema: Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (Gema) vertritt die Urheberrechte von 64 000 Komponisten, Textern und Verlegern in Deutschland. Im Ausland übernehmen das andere Verwertungsgesellschaften wie die Sacem in Luxemburg. Die Gema lizenziert jährlich etwa eine Million Veranstaltungen in Deutschland. Abgaben an die Gema zahlen indirekt nicht nur Veranstalter oder CD-Käufer - beim allen Medien, mit denen Kopien möglich sind, ist eine Pauschalabgabe an die Gema im Preis drin (u.a. CD/DVD-Rohlinge, aber auch Smartphones). Wird\\'s teurer? Wenn Sie prüfen wollen, ob Ihre Veranstaltung im nächsten Jahr billiger oder teurer wird: Im Internet finden Sie unter www.gema.de/veranstaltungstarife die zwei neuen Tarife (ab 2013) und die elf aktuellen. AF/fgg

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