Der Duft der Küche und der Küste

Trier · Dimethylsulfid ist ein kaum bekannter Aromastoff in Delikatessen wie Trüffeln und Spargel, aber auch ein wichtiger Regulator der Wolkenbildung über dem Meer. Heute stellt die Serie des Deutschlandfunks in Kooperation mit dem Trierischen Volksfreund das Molekül vor.

Trier. Sechs scharfe Schlitze hat der stählerne Küchenhobel. "Das gleiche Material wie bei Rasierklingen", plaudert Jean-Marie Dumaine, während er runzlige schwarze Knollen über die Klingen schiebt, "da muss man schon aufpassen mit seinen Fingern." Es sind kostbare Muskattrüffeln, die der Chef eines Feinschmecker-Restaurants in Sinzig an der Ahr da in Scheiben schneidet. Manche bezeichnen Dumaine als den Trüffel-Papst unter Deutschlands Spitzenköchen. Für ihn gibt es nur eine Art, die Edelpilze zu servieren - möglichst dünn gehobelt. Denn dann, so formuliert es Dumaine blumig, "öffnen sich die Geschmacksmoleküle besser." So entlocke man Trüffeln ihr volles "pilzig-erdiges Aroma".
UN-Jahr der Chemie Das Molekül der Woche


Dafür sind insbesondere Schwefelverbindungen verantwortlich - und an erster Stelle Dimethylsulfid (DMS). "Es kommt sehr konzentriert im Trüffelaroma vor und wird auch nicht so schnell abgebaut wie die anderen Substanzen", sagt Bernhard Tauscher, Naturstoffchemiker an der Universität Heidelberg und immer wieder Gast in Sinzig. Während Dumaine das köstliche Aroma aus den Knollen herauskitzelt, seziert Tauscher es chemisch.
Gourmets können von Glück sagen, dass DMS nur ein einziges Schwefelatom besitzt. Es ist der kleinste Vertreter aus der Gruppe der Sulfide, "und je mehr Schwefelatome in einem solchen Molekül drin sind, um so hässlicher stinkt es", weiß der Heidelberger Forscher aus eigener Laborerfahrung. Dimethylsulfid dagegen rundet das Aroma von Trüffeln oder auch von gekochten Spargelspitzen erst ab.
Das dufte Molekül begegnet uns aber nicht nur beim Essen, sondern auch in der Natur und vermag dabei Urlaubsgefühle in uns zu wecken. "Sie kommen an die Küste, es riecht nach Meer, was ist das?", fragt Tauscher und gibt die Antwort gleich selbst: "In der Hauptsache Dimethylsulfid!" Ein Vorläufermolekül werde von Meeresalgen produziert, "und wenn die absterben, kommen Mikroorganismen und zersetzen es zu DMS".
Mehr noch: Der Naturduftstoff greift sogar in die Wetterküche über den Weltmeeren ein. Er reagiert weiter mit dem Luftsauerstoff und wird zu Sulfat oxidiert. Daran lagert sich Wasser an. Es entstehen Schwefelsäure-Aerosole, "und die sind verantwortlich für die Wolkenbildung über den Ozeanen", so Tauscher. Dimethylsulfid ist also auch ein wichtiger maritimer Klimafaktor. Was Hamsterweibchen wiederum ziemlich egal sein dürfte. Ihnen nutzt der Wolkenstimulator auf ganz andere Weise: als Aphrodisiakum. DMS ist in ihrem Vaginalsekret enthalten, männliche Artgenossen fliegen darauf.
Dimethylsulfid hätte es auf jeden Fall verdient, bekannter zu sein, findet Bernhard Tauscher: "Das ist schon ein sehr wichtiges Molekül im Aromenbereich, aber auch in der Umwelt."

Dieser Beitrag läuft am 25. Mai im Deutschlandfunk im Rahmen der Reihe "M3 - Mraseks Molekül-Mosaik", immer mittwochs um 16.35 Uhr in der Sendung "Forschung aktuell". In der Region empfangen Sie den Deutschlandfunk auf UKW 95,4 und 104,6. Weitere Infos im Netz unter www.dradio.de/jahrderchemie

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