Der erste richtige Hit nach 30 Jahren
Trier/St. Wendel · Die Toten Hosen bleiben auf Rekordkurs: Mehr als eine Million Tickets hat die Band für ihre „Der Krach der Republik“-Tour schon verkauft – knapp 50.000 Fans werden allein bei den beiden Konzerten am 22. und 23. Juni am Bostalsee dabei sein.
Übers Zelten in der Eifel, Rock im Sitzen, die Rolling Stones und die Zukunft von Fortuna Düsseldorf hat TV-Redakteurin Eva Großeastroth mit dem Gitarristen der Toten Hosen, Michael "Breiti" Breitkopf, gesprochen.
Die Toten Hosen machen seit über 30 Jahren Musik - und sind gerade erfolgreicher denn je …
Michael Breitkopf: Wir haben mit "Tage wie diese" zum ersten Mal im Leben einen richtigen Hit gehabt. Dass wir das auf unsere alten Tage noch erleben.... Wir waren extremst überrascht, weil normalerweise unsere Musik nicht so gut ins Formatradio passt, wonach sich leider alles richtet, sogar bei den öffentlich-rechtlichen Sendern.
Hat sich die Band damit ganz neues Publikum eröffnet?
Breitkopf: Ob wir uns das eröffnen, das müssen wir dann jeden Abend unter Beweis stellen. Man merkt, dass auf dieser Tour viele Leute kommen, die die Rituale und die alten Lieder noch nicht so richtig kennen. Aber ich finde das auch eine gute Aufgabe, wenn da Leute sind, die mal sehen wollen, was wir draufhaben - und wir müssen halt versuchen, die zu überzeugen.
Ein Kollege sagte über Sie: "Die Hosen haben langsam etwas von den Stones an sich.…" Können Sie das nachvollziehen?
Breitkopf: Meinte der die Furchen im Gesicht? Da nähern wir uns langsam an.…
Ich glaube, er meinte eher das Generationenverbindende.
Breitkopf: Ich finde das auf jeder Tour immer wieder unglaublich, wenn da 15-Jährige stehen, die zum ersten Mal kommen und dann aber Lieder mitsingen, da waren sie noch gar nicht geboren, als wir die geschrieben haben. Für mich ist das Wichtigste, dass das Publikum gemischt ist. Ich finde gut, wenn die alten Fans immer noch etwas mit uns anfangen können, ich finde es aber genauso wichtig und ein Geschenk, wenn immer wieder neue dazukommen, die viel jünger sind und sich dafür begeistern können, was wir machen.
Apropos Furchen: Wollen Sie auch noch auf der Bühne stehen, wenn Sie so alt sind wie Mick Jagger?
Breitkopf: Bis jetzt denken wir bis zum Ende dieser Tournee. Klar haben wir eine vage Vorstellung, was danach kommt, aber wir denken sicher nicht zehn oder zwanzig Jahre im Voraus. Es richtet sich sehr danach, ob wir noch miteinander klarkommen. Und ob wir uns gut dabei fühlen, auf die Bühne zu gehen und noch die Energie rüberkriegen. Wenn das nicht mehr der Fall ist, müssen wir entweder aufhören oder uns was anderes überlegen. Vielleicht spielen wir dann nur noch unplugged - das geht auch im Sitzen.
Die Toten Hosen 2033 unplugged bei Rock am Ring. Das ist schließlich schon fast eine zweite Heimat.
Breitkopf: Seit dem ersten Auftritt ist da eine besondere Verbindung entstanden. Die Leute campieren da drei oder vier Tage bei Schlamm und Kälte und lassen sich davon so gar nicht beirren. Die sind immer bereit, sofort mitzumachen und jede Band willkommen zu heißen. Das finde ich schon etwas Besonderes, und deswegen fahren wir da auch gerne hin - nicht nur, wenn wir da spielen, sondern auch privat.
Können Sie sich selbst noch vorstellen, das Wochenende mit Zelt, Ravioli und Dixiklo in der regnerischen Eifel zu verbringen?
Breitkopf: Mit Zelt und Ravioli ja - aber eher, wenn ich meine Ruhe habe. Eines meiner beeindruckensten Erlebnisse war, vor einiger Zeit in Kanada mit einem Kanu unterwegs zu sein, mehrere Tagesreisen von jeder Zivilisation entfernt. Auf einem Festival freue ich mich dann inzwischen schon, wenn ich abends wieder abfahren kann und irgendwo im Bett oder im Bus in meiner Koje liege und da nicht im Zelt übernachten muss.
Also keine Dixiklos?
Breitkopf: Die gibt's oft genug, wenn man den ganzen Tag auf so einem Festival ist. Bei Rock am Ring ist das schon alles etwas bequemer, aber auf vielen Festivals besteht die Garderobe aus einem Container mit Neonlicht und zwei Stühlen drin und einem Dixiklo daneben. Aber das ist auch egal, denn darum geht es ja nicht, wenn man irgendwo ins Grüne fährt und spielt.
Ihr bestes Ring-Erlebnis?
Breitkopf: Jeder Auftritt war besonders. Oft bestehen die besonderen Momente darin, dass man eine Band sieht, mit der man befreundet ist, die man lange nicht gesehen hat und mit der man dann Zeit verbringen kann. 2004 haben wir auf dem Parkplatz vor dem Nürburgring auf einem LKW gespielt, da hatten wir einfach Spaß dran. Besonders schön fand ich, dass manche Leute gar nicht erkannt haben, dass wir das waren.
Gab es auch ein absolutes Negativerlebnis?
Breitkopf: Nö. Wenn es so richtig nass ist und dann noch stürmischer Wind dazukommt, wie letztes Jahr, dann ist es für alle Beteiligten hart. Dann müssen alle zeigen, was sie drauf haben.
Beim Auftritt am 22. Juni steht kein Geringerer als Bob Geldof auf der Gästeliste.
Breitkopf: Wir kennen ihn ja schon eine ganze Weile durch die Festivals, die es einige Mal anlässlich der G8-Gipfel gab. Und wir haben ihn als sehr, sehr guten Typen kennengelernt, und deswegen fanden wir es gut, ihn einzuladen, mal mit uns zu spielen.
Sie sind auch auf seinen Live8-Konzerten aufgetreten, engagieren sich für die Organisationen Oxfam und Pro Asyl. Wie wichtig ist Ihnen als Musiker soziales und politisches Engagement?
Breitkopf: Ich finde es gut und auch wichtig, wenn wir zu grundsätzlichen Sachen unsere Meinung sagen. Man muss jetzt nicht alles, was passiert, kommentieren oder alles besser wissen. So wie wir groß geworden sind, und so wie wir in der Punkbewegung mitgemacht haben, war uns der Kampf gegen Rassismus, Faschisten und Neonazis immer wichtig. Demokratie und Meinungsfreiheit sind nichts Selbstverständliches, man muss immer etwas dafür tun. Für uns sind es dann Organisationen geworden wie Pro Asyl und Oxfam, deren Arbeit wir sehr schätzen und als sehr integer und professionell kennengelernt haben.
Spielen Sie oft für solche Zwecke?
Breitkopf: Bei den G8-Konzerten haben wir mitgemacht, weil das voll in die Thematik passt, und das kann man dann auch mal machen. Aber ansonsten geht es uns eher darum, die Arbeit von Organisationen zu präsentieren und zu unterstützen - und das möglichst langfristig und nicht heute hier ein bisschen und morgen da ein bisschen was zu machen.
Bob Geldof ist für seine Aktionen auch immer wieder kritisiert worden.
Wenn Ihnen jemand vorwirft, Sie täten das nur fürs Image - was sagen Sie dem?
Breitkopf: Was haben wir davon? Wir stehen imagemäßig gerade 1a da, wir haben einen Riesenhit gehabt, uns rennen die Leute die Bude ein - wir können dadurch nichts gewinnen. Wir versuchen die Arbeit dieser Organisationen zu präsentieren und denen unsere Popularität zur Verfügung zu stellen. Wir machen das deshalb auch nur mit Leuten, von denen wir genau wissen, was die tun und wo wir hundertprozentig dahinterstehen. Lieber langfristig als mal hier und mal da in einer Benefiz-Fernsehsendung aufzutauchen. Da könnte man die Frage dann durchaus mit Berechtigung stellen.
Sie haben eben die Punkbewegung erwähnt. Sehen Sie sich noch als Punkband?
Breitkopf: Wir benutzen den Begriff schon lange nicht mehr für uns. Die Punkbewegung gab es ja nur ein paar Jahre. Aber wir sind natürlich total geprägt davon. Sei es dieses antirassistische Engagement oder die Haltung "Wenn du was machen willst, dann mach es - egal ob du Talent hast oder nicht, bevor jemand anderes was mit dir macht". Oder dass wir versuchen, die Preise für unsere Eintrittskarten oder für T-Shirts möglichst niedrig zu halten. Oder dass wir bei Leuten zu Hause spielen oder eben bei einem Riesenfestival auf dem Parkplatz. Wir versuchen diese Distanz zu überwinden, die nun mal leider aus Organisationsgründen entsteht und notwendig ist. Das geht alles auf diese Wurzeln zurück.
Wie würden Sie sich dann selbst als Band bezeichnen?
Breitkopf: Das ist mir völlig egal. Rock ist ein sehr weitläufiger Begriff, und da passen wir sicher auch rein. Wir haben ja auch immer mal Ausflüge in alle möglichen Richtungen gemacht, deswegen würde ich die Schublade für mich selber gar nicht so eng fassen wollen.
Ihre musikalischen Ausflüge haben Sie auch immer wieder nach Südamerika geführt. Woher kommt diese Liebe - speziell zu Argentinien, wo sie seit Ihrem ersten Konzert 1992 immer wieder auftreten?
Breitkopf: In Argentinien ist es den Menschen nicht so wichtig, ob eine Band aus Peru, aus Chile, den USA, England oder Deutschland kommt. Die sind dort offener als anderswo und es kommt ihnen sehr auf die Inhalte an.
Aber die Texte sind dort doch nicht alle auf Englisch, oder?
Breitkopf: Ganz im Gegenteil. Viele Leute können da ja auch gar kein Englisch. Die wissen aber trotzdem ganz genau, wovon wir singen und was wir in Interviews erzählen. Wenn die Menschen dort einmal eine Band gut finden, dann haben sie eine Loyalität, die man schon fast mit dem Verhältnis zu ihrem Lieblingsfußballverein vergleichen kann. Wobei das auch noch mal eine ganze Nummer ernster und härter ist, als man das von hier kennt.
Als Fortuna-Düsseldorf-Fan muss der vergangene Monat für Sie aber auch hart gewesen sein.
Breitkopf: Es war damit zu rechnen, dass die Fortuna eine schwierige Saison haben würde. Schon der Aufstieg war ein kleines Wunder. Beim Abstieg war es am Ende tragisch, weil wirklich nur drei Punkte gefehlt haben. Da denkt man dann an die vielen verpassten Gelegenheiten, als wir diese Punkte locker hätten einsammeln können.
Ihre Prognose für die nächste Saison?
Breitkopf: Da der Club schon seit einigen Jahren sehr seriös geführt wird, mache ich mir da gar keine Sorgen. Spiele gegen St. Pauli, den 1. FC Köln und Kaiserslautern machen auch Spaß. Und früher oder später wird die Fortuna schon ihren Weg machen und wieder in der ersten Liga landen. eg
Konzerte am 22. und 23. Juni am Bostalsee (St. Wendel). Für Sonntag gibt es noch Tickets im Trierer TV-Service-Center. Karten sind auch noch für den Termin am 29. Juni im RheinEnergieStadion in Köln erhältlich. Support am Samstag: PIL von den Los Violadores, Bob Geldorf Turbonegro. Sonntag: "Wölli und die Band des Jahres”, Donots, Kraftklub.Extra: Die Band Seit ihrer Gründung im Jahr 1982 haben die Toten Hosen 15 Studioaben, diverse Live-CDs und Kompilationen veröffentlicht. Zuletzt erschien "Ballast der Republik", das sich sechs Wochen auf Platz eins der Deutschen Charts hielt. 2012 feierten Campino (Gesang), Andreas von Holst (Gitarre), Michael Breitkopf (Gitarre), Andreas Meurer (Bass) und Vom Ritchie (Schlagzeug) das 30-jährige Bestehen der Band. mem