Der Hirsch lahmt

Luxemburg · "Glückliches Luxemburg - kulturelle Impulse für die Großregion?" - unter diesem Titel haben sich Kulturjournalisten, Kulturschaffende und Kulturpolitiker in der Abtei Neumünster getroffen. Ehrliches Fazit: Von einer gemeinsamen Kulturregion ist Saar-Lor-Lux Welten entfernt.

Luxemburg. Die Zeitschrift Opus ist ein kleines, aber feines Kulturmagazin. Das Hochglanz-Refugium für gediegene Feuilletonisten vom alten Schlag erscheint alle zwei Monate in Saarbrücken. Man ist grenzüberschreitend ausgerichtet, und deshalb geht man das ehrgeizige Unterfangen einer Bestandsaufnahme der Kultur in der Großregion ein - und zwar vor Ort in Luxemburg, dem vermeintlichen Motor der Entwicklung.
So entsteht denn die kuriose Situation, dass sich die komplett angetretene Luxemburger Kulturszene von renommierten deutschen Journalisten erzählen lassen muss, wie es ihr geht. Zum Glück fällt das, was die Analytiker von FAZ oder Deutschland-Radio zu sagen haben, fast durchweg schmeichelhaft aus. Reichlich Lob prasselt auf die Kulturverantwortlichen aus dem Großherzogtum - die hören es gerne, werden die Museums-, Musik-, Film- und Theatermacher doch im eigenen Land oft unterschätzt.
Freilich: Selbst wenn der Luxemburger Prophet in Luxemburg wenig gilt, so wird er doch bemerkenswert gut alimentiert. Eine halbe Milliarde Euro hat der Staat in den vergangenen 20 Jahren in Kulturbauten investiert, an jeder Ecke sind professionelle Infrastrukturen aufgebaut worden, fast immer hauptamtlich gemanagt. Von Kulturbudgets de Lux kann man in Saarbrücken oder Trier allenfalls träumen.
Doch das Bild vom reichen glücklichen Nachbarn, der vor lauter Kraft kaum laufen kann und prädestiniert ist, die Großregion anzutreiben, stößt bei den Kulturgrößen aus dem Ländchen auf wenig Gegenliebe. Was sie anstreben, ist ein Austausch auf Augenhöhe - und der funktioniert offenkundig nicht.
"Einen kulturellen Strom innerhalb der Großregion gibt es aus unserer Sicht nicht", befindet etwa kurz und bündig der Vorsitzende des Museumsverbandes, Jo Kox. Was er schildert, bestätigen viele seiner Kollegen: In Deutschland und Frankreich fehlt die Entscheidungskompetenz, um unbürokratisch in der Großregion zu kooperieren.
Keine adäquaten Ansprechpartner lautet das eine Problem. Kein Geld heißt das andere. "Wir würden bei der Filmproduktion gerne zusammenarbeiten", beklagt Film-Manager Paul Thiltges, "aber bei den anderen gibt es keine Förderung". Serge Tonnar vom Luxemburger Theaterverband findet in der Großregion "gar keinen Ansprechpartner". Und Patrice Hourbette von der neuen, staatlich geförderten Musik-Vermarktungsagentur Music:LX könnte sich sogar vorstellen, auch Bands und Musiker aus Trier oder Saarbrücken unter seine Fittiche zu nehmen - "aber dafür müssten wir erst mal welche kennen, die spielen ja nie in Luxemburg".
Zufrieden mit der Gesamtentwicklung sind eigentlich nur die Philharmonie und das Grand Théâtre. Auf dem Kirchberg kommt inzwischen mindestens jeder fünfte Konzert- oder Theaterbesucher aus der großregionalen Nachbarschaft. Kompromissloses Setzen auf Qualität, hohe Servicestandards, ausreichende öffentliche Zuschüsse: Auf diese Basis führen die Intendanten Mathias Naske und Frank Feitler ihren Erfolg zurück. Sie sind von Anfang an offensiv auf das grenzüberschreitende Publikum zugegangen, machen mächtig Werbung, setzen Busse ein.
Enttäuschung bei den Tänzern


Das Abschöpfen von Besucherpotenzial scheint gut zu funktionieren, hat allerdings mit Kooperation in der Großregion relativ wenig zu tun. Dafür sind die beiden Riesen auch nicht unbedingt prädestiniert. Eher schon die Tanzszene, die sich im Kulturhauptstadtjahr im "Tanzpalast" näher gekommen war. Aber gerade da herrscht Frust. Das ambitionierte Festival "Transfrontalier" ist an der Verweigerungshaltung von Belgiern und Franzosen gescheitert. Künftig will die Tanzszene verstärkt Partner außerhalb der Großregion suchen.
Nach Euphorie klingt das alles nicht. Im Gedächtnis bleibt da eher die Aussage von Paul Bertemes von der Beratungsagentur MediArt: "Der Nebel über Mosel und Saar", sagt der Kulturvermittler, sei "manchmal undurchdringlicher als der über dem Ärmelkanal".

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