Tanztheater „Wir sind Teil des Chaos“

Trier · Der in Trier lebende Choreograph Saeed Hani verhandelt in seinem neuen Stück „Khaos“ Unordnung und Leere als Bedrohung wie Chance.

 Szene aus „Khaos“.

Szene aus „Khaos“.

Foto: Eva-Maria Reuther

„Ich bin das Nichts, jenseits von jedem Stern, jenseits von jedem Universum“, so stellt sich die griechische Göttin Khaos vor. Nach der antiken Urzeit-Gottheit, einem unheimlichen monströsen Wesen, heißt die neue Choreographie von Saeed Hani. Von ihr hat auch jenes heillose Durcheinander den Namen, das man ebenso aus den alltäglichen Verhältnissen der eigenen Lebenswelt kennt wie aus denen des großen Weltgeschehens. Für Wissenschaftler bedeutet das Chaos allerding auch eine schöpferische Unordnung, einen Urzustand, dessen Entwicklung weithin unvorhersehbar ist, aber aus dem sich neue Strukturen bilden. Eine moderne Erkenntnis auf uralter Grundlage: „Früher als alles andere entstand das Chaos“, schrieb der griechische Dichter Hesiod vor über zweieinhalbtausend Jahren. Eine chaotische Leere, aus der nach Ansicht des antiken Poeten das Universum entstand.

Auch für Saeed Hani ist das Chaos zwiespältig. Mit seinem verstörenden, bedrohlichen Wesen vernichtet es Ordnungen, raubt Sicherheiten und erschüttert Vertrauen. Gleichzeitig ist es Voraussetzung für Neubeginn, den Aufbau neuer Regelwerke und Lebenswelten. „Chaos bedeutet Zerstörung“, sagt der Künstler. „Aber es entsteht auch immer Neues daraus.“ Für den in Trier lebenden Tänzer und Choreographen, der inzwischen eine internationale Karriere gemacht hat, ist klar: „Wir sind Teil des Chaos, wir können es nicht vermeiden.“ Der Künstler mit dem deutschen Pass und den syrischen Wurzeln weiß, wovon er redet. Aus dem Chaos seines vom Krieg heimgesuchten Heimatlandes ist er nach Deutschland gekommen. Im chaotischen Kreislauf von Vernichtung, Unordnung und Neubeginn ist für Hani der Krieg ein zentrales Element. Die Geschichte der Menschheit sei eine Geschichte des Krieges, findet mancher Historiker. Dem stimmt auch Hani zu. „Kriege mit ihrem Chaos haben in der menschlichen Geschichte zu enormen Veränderungen geführt“, sagt der Künstler. Mit seinem internationalen Team aus sieben Tänzerinnen und Tänzern verhandelt der Choreograph in seiner neuen Produktion den Chaos-Begriff aus historischer und kulturgeschichtlicher Sicht. Die Recherchen zu seinem Stück hat der Künstler während eines Aufenthalts am Grand Théâtre in Genf durchgeführt, wozu ihn Sidi Larbi Cherkaoui, der renommierte Ballettchef des Theaters eingeladen hatte.

Auch in seiner neuen Arbeit ist der Körper für den Choreographen gleichermaßen Zeichen wie Ausdrucksmittel, mit dessen Hilfe er Emotionen und Energien veräußert. Mehr noch: Gerade im nackten Körper verbildlicht sich für Hani in geradezu antiker Tradition gottgegebene Schönheit. Überhaupt ist die Bedeutung der Schönheit für Hani ein wichtiges Thema. „In unserer Welt gibt es viel zu wenig davon“, sagt der Choreograph. „Ich bin überzeugt, dass die Erfahrung von Schönheit die Welt verbessern kann“. Da klingt in den Worten des Künstlers die alte Theorie von der Kunst im Dienst einer besseren Welt durch. Zurück zum Chaos: Es ist unvermeidbar, glaubt wie gesagt Hani. Angst sollte man dennoch nicht davor haben, findet der Choreograph . „Man muss lernen, sich darauf einzustellen und damit umzugehen“.

Premiere: 8.Juni 2023, 20Uhr, Messepark Trier. Weitere Vorstellungen 9.und 10.Juni 2023, jeweils 20 Uhr.

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