Der Intendant und seine Porno-Queen

Trier · Der designierte Leiter des Trierer Theaters, Karl Sibelius alias Rose Divine, steht ab heute in seinem Theater an der Rott selbst auf der Bühne - und zwar als "Großherzogin von Gerolstein". Der TV hat mit ihm darüber gesprochen, was es mit der transsexuellen Kunstfigur Rose auf sich hat, ob sie mit ihm nach Trier umzieht und was er vom echten Gerolstein kennt.

 Karl Sibelius ist in seinem niederbayrischen Theater ab heute als Großherzogin von Gerolstein zu sehen. Foto: Theater an der Rott

Karl Sibelius ist in seinem niederbayrischen Theater ab heute als Großherzogin von Gerolstein zu sehen. Foto: Theater an der Rott

Trier. Landkreis Rottal-Inn im niederbayrischen Hügelland. Das klingt nach Zwiebeltürmen, bierseligen Feuerwehrfesten und schmucker bayrischer Beschaulichkeit. Nicht jedoch nach einem Landstrich, dessen Politiker es befürworten, dass ein transsexueller Ex-Pornostar die künstlerische Leitung des kreiseigenen Theaters in Eggenfelden übernimmt. So kann man sich täuschen.
Karl Sibelius, der im August als Intendant ans Trierer Theater wechseln wird, bekam, was er wollte. Er erhielt die Erlaubnis, als künstlerischer Leiter des Theaters an der Rott zurückzutreten und Rose Divine an seiner Stelle einzusetzen. Eine schrille Kunstfigur, die er selbst verkörpert. "Das ist grotesk", sagt Sibelius über seinen PR-Gag und lacht.
Sibelius bekam Drohbriefe


Ab heute steht Rose Divine alias Karl Sibelius als Großherzogin von Gerolstein in der gleichnamigen satirischen Operette von Jacques Offenbach auf der Bühne des niederbayrischen Kreistheaters und buhlt um die Liebe strammer Soldaten. "Das ist natürlich ein extremes Risiko", sagt der Theaterchef. Aber das könne er sich leisten. Eine Operette verlange nach einem Publikumsliebling, und im Landkreis spreche man über ihn.
Rose spielt aber nicht nur die Großherzogin, weil Sibelius glaubt, dass eine männliche Besetzung die Skurrilität der Rolle unterstreicht, sondern auch, weil dies ein Anfang des Abschieds ist und er dem Publikum zeigen will, dass er noch richtig da ist, obwohl er bald weggeht. "Da oben hin", in eine ihm zuvor völlig fremde Ecke Deutschlands, wo das echte Gerolstein liegt, das er bisher nur durchs Zugfenster kennt.
Ob Rose Divine mit umzieht, weiß er noch nicht (auch wenn es ihn wahnsinnig reizen würde, das Stück in Trier zu spielen). "Ich habe dort ja eine andere Funktion", sagt Sibelius. Das Theater müsse umstrukturiert werden. Auch müsse er erst einmal ein Gespür für die Region bekommen. Zudem sei Rose aus der Not geboren. Und die, glaube er, werde es in Trier nicht geben. Not? "Mir ging es in Eggenfelden nicht so gut", erklärt Sibelius. Das Publikum habe nicht zwischen seinem Privatleben (Sibelius hat einen Lebensgefährten und zwei Kinder) und seiner Intendanz getrennt. Rose sollte Distanz reinbringen.
Bereut habe er dies nie. Trotz der Drohbriefe, der Beleidigungen und der Kritik, Rose sei schuld, dass die Besucherzahlen zurückgingen. Tatsächlich brach ein Teil der Stammgäste weg. Der Intendant sieht dies allerdings als Teil einer Verjüngungskur: Das Durchschnittsalter der Besucher sei von 66 auf 45 Jahre gesunken.
Auch war ihm klar, dass er in Niederbayern mit seiner Kunstfigur nicht die gleichen Erfolge feiern würde wie in Linz. 50 Mal habe Rose dort in einem ausverkauften ehemaligen Pornokino ihre Lebensgeschichte erzählt: wie sie nach einem knallharten Leben als Andersartige auf der Straße landete. Die Leute seien gekommen, "um Sibelius als Schwuchtel zu sehen", und so mancher habe das Kino zu Tränen gerührt wieder verlassen. "Die Menschen haben begriffen, dass es nicht um Transsexuelle geht, sondern darum, dass wir akzeptieren müssen, dass die Welt so schön und so bunt ist, weil wir so verschieden sind". Theater könne viel mutiger sein als alle anderen Institutionen. Das müsse man nutzen. Dafür sei Theater da.

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