Der Körper als Grenzort: Tanzduett "Mistral" am 13. September im Theater Trier

Trier · Zwei lebende Legenden des modernen Tanzes versprechen im Theater Trier einen spannenden Abend. In ihrer gemeinsamen Choreographie "Mistral" führen Susanne Linke und der in Paris lebende afrikanische Tänzer Koffi Kókô einen Dialog der Kulturen.

"Tanzen wir in tausend Weisen. Frei sei unsre Kunst geheißen", feierte in seinem Gedicht "Mistral" Friedrich Nietzsche den kalten Nordwestwind des Mittelmeerraums als alle Fesseln lösenden Tänzer. Um die Verwurzelung in alten Traditionen, die Begegnung zwischen archaischer afrikanischer Spiritualität und modernem europäischen Tanz, um Trennung und Annäherung geht es auch im gleichnamigen Tanzduett von Susanne Linke und Koffi Kókô.
Seinen Namen hat das 2014 in der Berliner Akademie der Künste uraufgeführte Tanzstück allerdings nicht vom deutschen Philosophen, sondern vom Pariser Café Mistral. Dort hatten sich Linke und Kókô 2013 getroffen, um das Projekt auf den Weg zu bringen.

Premierenfieber

Weltläufigkeit, das Interesse an fremden Kulturen, gehört seit jeher zur Lebenswirklichkeit von Susanne Linke. Mit dem Goethe-Institut bereist die "Grande Dame" des modernen Tanzes seit Jahren die Welt. Ihre Reisen haben zu spannenden Choreographien geführt. Auch als Tänzerin hat die 1944 geborene Schülerin von Mary Wigman und Studentin der Folkwang Universität vielfältige Tanzwelten und -räume durchschritten, vom Ausdruckstanz hin zum modernen Tanztheater. Was Wunder, dass ihr Körper mancherorts als "Bewegungsarchiv" bezeichnet wird.
"Ich will, dass der ganze Mensch tanzt", hat Linke unlängst in einem TV-Interview gesagt und damit auch das Gedächtnis eingeschlossen. Ganz sicher ist ihre tänzerische Energie immer die gestaltete Synthese aus Erinnerungskunst und aktueller Befindlichkeit. Ihr Tanz wurzelt ganz in der europäischen Tradition.An Gegensätze gewöhnt


Bedeutet ihre Öffnung zu anderen Kulturen Grenzüberschreitung, so gehört für Koffi Kókô die kulturelle Ambivalenz, sogar der Bruch zur frühesten bis heute andauernden Erfahrung und zur Identität. Der aus dem afrikanischen Benin stammende Tänzer, dessen Geburtsjahr mit etwa 1950 angenommen wird (er selbst hält sich darüber bedeckt), erlebte als Sohn eines Beamten der französischen Kolonialmacht und späteren Diplomaten schon als Kind das Aufeinanderprallen zweier völlig gegensätzlicher Kulturen.

Wie er Journalisten einmal berichtete, hatte seine unter einer komplizierten Schwangerschaft leidende Mutter versprochen, das Neugeborene nach einer glücklichen Geburt in der Voodooreligion erziehen zu lassen, deren Rituale stark von Tanz und Musik geprägt sind. Der Vater hingegen schickte den Jungen in eine Jesuitenschule, wo er in französischer Tradition erzogen wurde.

Seit den 1980ern lebt Kókô in Paris. Dort lernte er den modernen europäischen Tanz kennen. Bis heute ist der Afrikaner ein Grenzgänger zwischen den Welten geblieben. Regelmäßig reist der Künstler, der inzwischen als Pionier des modernen Tanzes in Afrika gilt, in seine Heimat, wo er die uralten Voodoorituale pflegt. Wie er seinen tanzenden Körper versteht, hat er in seiner Antrittsvorlesung 2014 an der Akademie der Künste in Berlin formuliert: Der Körper ist für ihn ein Ort vielfältiger Eigenschaften. Er ist gleichermaßen "physischer Körper, Gedächtnis, spiritueller Körper und theatralischer Ausdruck".

Im Dialog mit Susanne Linke wird der Afrikaner aus Paris in "Mistral" die Fähigkeiten dieses Körpers in Energie und Bewegung übersetzen. Dabei werden die Gemeinsamkeiten afrikanischer und europäischer Tradition ausgelotet, Grenzen und Brüche aufgezeigt. Ganz sicher ein außergewöhnliches Erlebnis.

Premiere, 13. September, 20 Uhr, Großes Haus. Das Tanzstück wird in der Reihe "Zahl, was du willst" präsentiert: Jeder Besucher bestimmt seinen Eintrittspreis selbst.

Extra Neun Premieren an drei Wochenenden

Mit neun Premieren an drei Wochenenden und dem ersten Sinfoniekonzert beginnt das neue Theaterteam um Intendant Karl Sibelius ab Freitag, 11. September, seine erste Spielzeit in Trier.
Unter dem Motto "Premierenfieber" stellt der Trierische Volksfreund die Stücke vor. Hier eine Übersicht über die September-Premieren (gefettet ist jeweils das Stück, das im dazugehörigen Artikel vorgestellt wird):
„Alles bleibt anders“: 11. September, 18 Uhr, Großes Haus
"UR_": 11. September, 20.30 Uhr, Großes Haus
„Molière“: 12. September, 20 Uhr, Großes Haus
"Mistral": 13. September, 20 Uhr, Großes Haus
&nbsp;„Der Zauberberg“: 18. September, 19.30 Uhr, Walzwerk Trier<br /> „Fidelio“: 19. September, 19.30 Uhr, Großes Haus
<span style="line-height: 17.4px;">&bdquo;Thalamus“: 20. September, 19 Uhr, Großes Haus
<span style="line-height: 17.4px;">&quot;Ruhr-Ort": 25. September, 19.30 Uhr, Großes Haus
1. Sinfoniekonzert: 26. September, 20 Uhr, Großes Haus
&quot;Sweeney Todd": 27. September, 19.30 Uhr, Walzwerk Trier cweb

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