Der Meistersinger von Biewer

Hamburg/Trier/Wien · Von der Mailänder Scala bis zur Met in New York, vom Londoner Covent Garden bis zu Nomori Opera Tokio hat Franz Grundheber Spuren hinterlassen. Doch zum 75. ist er da, wo alles begann: in seiner Heimatstadt Trier.

Hamburg/Trier/Wien. Irgendwann sind alle Superlative aufgebraucht. Als Franz Grundheber 65 wurde, schwärmten die Feuilletons von seiner "trotz des Alters" immer noch brillanten Stimme. Als er 70 wurde, steigerten sich die Elogen noch. Jetzt, da er 75 wird und die Stimme immer noch weich, modulationsfähig, klangvoll und durchschlagskräftig ist wie eh und je, werden die Beschreibungen fast sprachlos.
Stimmpapst Jürgen Kesting, der Reich-Ranicki der Gesangskunst, brachte es kürzlich auf eine ebenso knappe wie prägnante Formulierung, als er den Künstler nach einem Besuch der "Ariadne auf Naxos" in der Hamburger Staatsoper bewundernd den "alterslosen Franz Grundheber" nannte. Flugs adelte ihn die Bildzeitung plakativ zum "Meistersinger von Hamburg".
Das scheinen auch andere so zu sehen. Grundhebers Agentur meldet gerade, dass ihn die Met in New York ein Jahrzehnt nach seinem großen Rigoletto wieder verpflichtet hat: für Alban Bergs "Lulu" - im Jahr 2015.
Das Stimmwunder Grundheber hat eine Ursache, die auf den ersten Blick widersprüchlich klingt: Einerseits hat er in jüngeren Jahren ein unfassbar großes Repertoire gesungen, in den 60er und 70er Jahren als "Hausbariton" in Hamburg. Andererseits hat er später etliche Partien konsequent gemieden oder beizeiten wieder verlassen. Die große Spannbreite der frühen Jahre hat seiner Stimme ein enorm breites Fundament verschafft, der spätere Verzicht auf extreme Rollen, so attraktiv sie gewesen wären, hat ihm Abnutzungserscheinungen erspart. So kann er heute immer noch aus dem Vollen schöpfen.
Feiertage fürs Publikum


Es passt zu Franz Grundheber, dass er sein Repertoire in den vergangenen Jahren dennoch deutlich reduziert hat. Riesenpartien wie "Rigoletto" mutet er sich und seinen Stimmbändern nicht mehr zu, selbst Lieblingsrollen wie Jago und Simon Boccanegra nimmt er allenfalls noch als kurzfristiger Einspringer wahr, nicht mehr für eine komplette Serie. Das sind Feiertage geworden, vor allem für das Publikum. Als er kürzlich im Wiener "Otello" aushalf, berichteten die Zeitungen, bei der Ansage zu Beginn der Aufführung sei "ein Raunen" durch den Raum gegangen, als angekündigt wurde, Grundheber singe den Jago.
In Wien wird er ohnehin wie eine Institution verehrt. Als eine dortige Zeitung vor einigen Jahren eine Rangliste der größten Sänger der Welt aufstellte, gehörte er zu den Bestplatzierten - aber nicht nur einmal, wie alle anderen, sondern gleich doppelt: beim deutschen und beim italienischen Repertoire.
Das sind normalerweise völlig getrennte Welten: Wagner, Strauss, Berg einerseits, Verdi, Puccini, Giordano andererseits. Selten sind Sänger überhaupt in beiden Sphären zu Hause, aber dass jemand es in der einen wie der anderen Disziplin ganz nach vorne bringt, ist etwa so ungewöhnlich, wie es in der Kicker-Fußball-Rangliste ein Spieler wäre, der gleichzeitig als Torwart wie als Mittelstürmer in der Weltklasse eingestuft wird.
An Experimentierfreude hat es Franz Grundheber nie gemangelt. Ungewöhnliche Partien, unkonventionelle Regisseure: Man kann ihn als Mitstreiter für Strittiges gewinnen - wenn das, was auf der Bühne passiert, einleuchtet, wenn es mehr ist als Spielerei. Für Trier hat er sogar selbst Regie geführt, bei einem denkwürdigen "Wozzeck", dieser für ihn "perfektesten Oper schlechthin, was die Symbiose von Text und Musik angeht".
Gerade war er auf Europa-Tournee mit einem ähnlich sperrigen Stück, "Moses und Aron" von Schönberg. Auch so ein Werk, dem er gerne das verdiente Publikum verschaffen will. Denn ein bisschen Missionierungswille und pädagogischer Eros schwingen auch mit bei dem Mann, der sich einst durch das Max-Planck-Gymnasium in Trier quälte - mit dem einen oder anderen Trauma, das bis heute nachwirkt.
Meisterkurs in Bayreuth


Nun wird er, der mit dem Unterrichten eher auf Kriegsfuß stand, auf seine alten Tage noch Lehrer, zumindest temporär. In Bayreuth übernimmt er 2013 einen Meisterkurs für herausragende Nachwuchssänger. Vielleicht gelingt es ihm, seine Kunst eine Generation weiter zu tragen.

Für das Galakonzert am Sonntag, 30. September, 18 Uhr, in der Arena Trier mit Franz Grundheber, dem Philharmonischen Orchester der Stadt Trier unter der Leitung von Victor Puhl sowie den Gästen Joana Caspar, Pawel Czekala und Carlos Aguirre sind noch Karten in den TV-Service-Centern Trier, Wittlich und Bitburg und auf www.ticket-regional.de erhältlich. Aus Rückläufen ist noch eine kleine Zahl an Karten der ersten Kategorie erhältlich. Die Tageskasse ist ab 17 Uhr geöffnet.

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