Der Mensch, eine Fehlermeldung

Das Grauen des Massengeschmacks und das Durchschnitts-Elend der Existenz: Im Chat Noir bot der Punk-Comedian Heinz Strunk 120 Zuhörern Genugtuung für den Terror von Formatradio, Großraumdisko und dem Leben im Allgemeinen.

Trier. (fgg) "Es geht mir nicht besonders gut heute", gibt Heinz Strunk zu verstehen, als er an dem kleinen Tisch auf der Bühne des Chat Noir vor gut 120 Zuschauern Platz nimmt. Das ist nicht weiter überraschend, gibt sich der Hamburger Autor, Musiker und Schauspieler doch allgemein nicht so, als würde für ihn die Sonne ständig scheinen. Zum Glück: Aus der demütigenden Grässlichkeit der Existenz weiß der 46-Jährige nämlich Werke zu "generieren", die das Publikum zum Weinen bringen - vor Lachen, jedenfalls meistens, auch wenn das Dargestellte meist gar nicht wirklich lustig ist.

Durch seine Provinzmusikertragödie "Fleisch ist mein Gemüse" und vor allem deren Verfilmung ist Heinz Strunk endgültig auch dem größeren Publikum bekannt geworden. Allerdings ist es kein Zeichen schlechten Geschmacks, beispielsweise von Strunks Tätigkeit im "Studio Braun" zu wissen: Wer die absurden Telefonstreiche des Trios einmal gehört hat, findet deren Pendants in den "Formatradios" nur noch zum Weinen. Und mit "Fleischmann TV" hat er fulminantes Trash-Fernsehen gemacht, das eine treue Fangemeinde gewann.

Am Kornmarkt liest Strunk aus seinem neuen Roman "Die Zunge Europas": Es schildert eine Woche Leben und Leiden eines Gagschreibers, der unter anderem erst auf Inspiration im Rentnercafé hofft, um sich dann "Essen und Vorwürfe" bei der Oma abzuholen. Die derben und doch eleganten Makroaufnahmen erzeugen durch ihre Bitterkeit beim Lachen Schmerzen, sind aber auch ungemein befreiend für alle, die sich nicht mehr so alleine fühlen mit ihrer Abscheu für Großraumdiskos, in denen solariumsgebräunte Prosecco-Friseusen mit Steißbeintattoo zu Robin Williams "abgehen".

Solche Vorhöllen der Erlebnisgastronomie, wo in Ballonseide gehüllte, mit Goldkettchen behangene Schlägerprolls mit ihren jämmerlichen Balzversuchen schon im Ansatz kläglich scheitern, schildert Strunk fast unfassbar fies. Auch Frauen, die sich selbst auf ihren T-Shirts "Babe" und "Schlampe" nennen, verdienen für ihn kein Pardon.

Um den Abend nicht in trostlosem Zynismus enden zu lassen, liest Strunk auch den versöhnlicheren Schluss des Buches: Der Protagonist beschließt, dass er etwas ändern muss, und macht einen traurigen, aber notwendigen Schritt und trennt sich von seiner langjährigen Freundin. Das neue Leben wird, nachdem eine Hitzewelle wochenlang alles Leben festgeklebt hatte, durch ein befreiendes Gewitter eingeleitet. "Kein ganz neuer Einfall in der Literatur", gibt Strunk zu. "Aber es kommt ja immer darauf an, wie man es macht."

Im Chat Noir hat der Hamburger Sarkast wohl alles richtig gemacht: Begleitet von Applaus durfte er sich wieder in sein "Kabuff" einsperren lassen, bevor er seine Bücher signierte.

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