Der Popstar des deutschen Mittelalters

Niederhosenbach · Sie gilt als Visionärin, Politikerin, Theologin und sogar Managerin: Hildegard von Bingen ist die wohl schillernste Frau des deutschen Mittelalters. Und die Forschung geht inzwischen davon aus, dass die berühmte Benediktinerin aus dem Hunsrück stammt.

Die zehnteilige ZDF-Serie "Die Deutschen II" und das dazu erschienene Buch haben Hildegard von Bingens Ruf als berühmteste Deutsche aller Zeiten und ihre Herkunft aus dem heutigen Kreis Birkenfeld untermauert. Für Altlandrat Wolfgang Hey tragen damit seine Bemühungen Früchte, dass Niederhosenbach als Geburtsort der bedeutenden Mystikerin anerkannt wird. Die Autoren Peter Arens und Friederike Haedecke beleuchten im Begleitbuch zur Sendung die intensiv diskutierte Frage des Geburtsorts: "Ging die Forschung lange Zeit davon aus, dass Hildegards Familie in Bermersheim, einem Dörfchen nahe Alzey in Rheinhessen, lebte, tendiert man nun eher dazu, das noch kleinere Niederhosenbach als ihren Geburtsort anzunehmen."

Seit die Nonne Marianna Schrader 1941 eine Hildegard-Biografie veröffentlicht hatte, galt Bermersheim als Heimatort. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts setzte sich ein Historiker und renommierter Genealoge, Josef Heinzelmann, kritisch mit der Vermutung auseinander und entkräftete sie. Viel mehr spricht aus seiner Sicht dafür, dass die von 1098 bis 1179 lebende Frau aus der zum Hochadel zählenden Familie der Freien von Hosenbach stammt und in Niederhosenbach das Licht der Welt erblickte. Ihr Vater dürfte "Hildebrecht de Hosebach" sein, der 1112 in einer Urkunde des Klosters Disidenbodenberg bei Staudernheim auftaucht. Im selben Jahr stieß dort die laut Arens und Haedecke "bekannteste Deutsche des Mittelalters überhaupt" zum Benediktinerorden.

Zwei Drittel ihres Lebens im Nahe-Hunsrück-Raum



Bereits auf einem Symposium in Birkenfeld im Jahr 2001 stützten die teilnehmenden Fachleute Heinzelmanns Auffassung. Seit 2002 erinnert eine Gedenktafel an der Kirche in Niederhosenbach an den Adelssitz der Herren von Hosenbach und die mutmaßliche Geburtsstätte von Hildegard. Auch die Internetseite des Hildegard-Museums in Bingen und das rheinland-pfälzische Bildungsministerium haben sich jene Version inzwischen zu eigen gemacht. Zudem weist der frühere Kreischef darauf hin, dass Hildegard zwei Drittel ihres Lebens im Nahe-Hunsrück-Raum und nur das letzte Drittel am Rhein verbracht hat.

Sie war ein Multitalent, wie die Lektüre zu "Die Deutschen" zeigt: Visionärin, Naturwissenschaftlerin, Politikerin und Komponistin, Theologin und sogar Managerin. "Keine Frau des Mittelalters, ja kaum ein Mann dieser Zeit hat ein so umfangreiches Schrifttum hinterlassen", berichten Haedecke und Arens. Immense Ausmaße hatte die Korrespondenz mit den Mächtigen. "Selbst Papst Eugen III. hat sie als geistige Autorität anerkannt", sagt Hey. "Noch acht Jahrhunderte nach ihrem Tod fasziniert sie Menschen auf der ganzen Welt. Im Begleitbuch zur ZDF-Sendung heißt es: "Sie ist der Popstar unter den mittelalterlichen Deutschen."

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