Der Proll und die Welt, wie er sie sieht

Das neue Bühnenprogramm von Atze Schröder heißt "Revolution". Obwohl sein Auftritt alles andere als eine solche ist, denn er bietet absolut nichts Neues, lachen 2500 Zuschauer in der Arena herzlich über den zweistündigen Ausflug in die Vulgärkomik.

 Ätzt in Trier gegen Promis: Atze Schröder. TV-Foto: Hans Krämer

Ätzt in Trier gegen Promis: Atze Schröder. TV-Foto: Hans Krämer

Trier. Man muss kein Fan von Atze Schröder sein, um ihm eine Ausnahmerolle unter den deutschen Komikern zuzugestehen. Kein anderer Darsteller verbirgt sein wahres Ich so vehement hinter der Figur, die er erschaffen hat. Eine Trennung, wie sie zwischen Gerd Dudenhöffer und seinem Kleinbürger-Monster Heinz Becker immer bestanden hat, ist im Fall von Atze Schröder unmöglich. Wo auch immer er auftaucht, von der Talkshow bis zum roten Teppich, stellt er Atze Schröder dar, komplett mit prolliger Lockenpracht. Diese totale Identifikation verteidigte er sogar vor Gericht und ließ einem Zeitungsverlag 2007 die Veröffentlichung seines wahren Namens verbieten. (siehe Extra).

Der Proll und die Welt, wie er sie sieht - dieses Hauptthema bietet Atze Schröder seinem Publikum an, seit er 1995 zum ersten Mal auf Kleinkunstbühnen auftrat. Das hat sich bis heute nicht geändert. Die Frage, wo hier eine Revolution verborgen sein soll, entkräftet der Künstler am Ende seiner Show in Trier selbst: "Ihr seht, ich bin doch kein Revoluzzer", verrät er dem Publikum, das sich von den Sitzen erhoben hat und minutenlang applaudiert. "Ich bin nur ein Komiker aus dem Ruhrgebiet, der euch einen schönen Abend machen wollte." Das ist ihm offensichtich gelungen, die Zuschauer haben sich gut amüsiert.

Die Promis müssen zuerst dran glauben. Sie sind Atzes Warmlaufphase in Trier, basierend auf der unangreifbaren Tatsache, dass die Leute gerne über berühmte Menschen lachen. Da sind auch Drogenprobleme kein Schutz. "Christoph Daum hatte einen derartigen Zug durch die Nase, dass in Leverkusen schon vor dem Spiel die komplette Seitenlinie weg war." Auch Kritiker müssen zugeben, dass der Mann sein Handwerk beherrscht. Kein Stocken im Redefluss, präzise Akzentuierung, Pausen am richtigen Punkt, Mimik und Gestik eine immer passende Ergänzung.

Der harte Teil von Atzes Show kommt nach dem ersten Drittel. Er ist bei Weitem nicht der Erste, der mit Vulgärem und Obszönem Lacher provoziert, das macht Jürgen von der Lippe schon seit den frühen 80ern. Von Ingo Appelt und Tom Gerhardt gar nicht zu reden. Atze Schröder nutzt die Tatsache, dass diese Schiene auch eine Komiker-Generation später noch funktioniert. Eines der harmloseren Beispiele: "Ingrid van Bergen? Hört mir auf", schreit er ins Publikum. "Nach drei Cognac bügelt die Westerwelle auf Hetero zurück, das schwör' ich euch."

Nach den Promis folgt, es war nicht anders zu erwarten, das Sezieren der Beziehung zwischen Mann und Frau. Mario Barth macht es so, Rüdiger Hoffmann macht es so, wenn auch ganz anders als Mario Barth. Sie alle zielen auf den Galgenhumor des Betroffenen, wenn sie ihrem Publikum die wahre Natur einer Lebensgemeinschaft erklären. Atze demonstriert, wie er beinahe Sex mit der Frau seines besten Freundes gehabt hätte. Am Abend der Hochzeit. Die Aktion endet mit einer Zwangsabkühlung in einem Eimer voller Eiswürfel. Die alte Nummer "Der den Hebel nicht zieht" kommt als Zugabe und ist vollkommen ohne Promi-Dresche und Sexualkunde für Arme wirklich komisch. Der junge Vater, der verzweifelt ums Kinderkarussell herumrennt und seinen Sprössling in immer höherer Lautstärke anbrüllt, er solle endlich wie die anderen Kinder den Hebel ziehen, damit sein Wagen auch aufsteigt, ist Atzes beste Nummer.

Fazit: Die Revolution fiel aus, aber ein lustiger Abend ist auch nicht schlecht.

Extra

Atze Schröder: Niemand nennt meinen Namen: Die Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin untersagte einem Zeitungsverlag 2007 die weitere Verbreitung des bürgerlichen Namens von Atze Schröder. Die Richter kamen nach der mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis, dass dem Komiker ein Unterlassungsanspruch zusteht, weil das Geheimhaltungsinteresse des Künstlers in diesem Fall gewichtiger sei als das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Die Veröffentlichung des bürgerlichen Namens des Schauspielers verletze dessen berechtigtes Interesse an der Wahrung seiner Anonymität außerhalb seines beruflichen Wirkens. Eine Berufung wies das Gerichts als aussichtslos zurück. (jp)

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