Der Unberechenbare

Trier · In jedem Monat präsentiert TV-Reporter Andreas Feichtner seine persönlichen Konzerttipps. Im Juni empfiehlt er einen Besuch bei Lou Reed - der New Yorker Altmeister ist gleich drei Mal zu Gast in der Region. Reeds Europatour startet heute in der Rockhal Esch.

Trier. Vor zwölf Jahren in einer Provinz-Turnhalle im Südwesten Luxemburgs. Der Mann mit dem tief zerfurchten Gesicht weigert sich beharrlich. Er verzieht keine Miene auf der Bühne. Er spricht in 100 Minuten exakt drei Worte ("thank you" und "goodbye"). Er spielt weder seinen einen großen Hit noch die zwei kleineren. Er macht konsequent, was er will - und hinterlässt beim Schreiber trotzdem mächtig Eindruck. Viele Konzerterinnerungen verblassen, verschwimmen, verwässern. Aber Lou Reed, im September 2000 in Differdange? Das Konzert ist heute noch so satt-schwarz und präsent wie am Tag danach.
Das könnte daran liegen, dass der inzwischen 70-jährige New Yorker in einer Welt der verlässlichen Wiederholung für eins steht: für Unberechenbarkeit. Einer, der für Erwartungshaltungen nur Verachtung und Mittelfinger übrig hat.
Das hat sich seitdem nicht geändert. Im vergangenen Jahr machte Reed - Mitbegründer von The Velvet Underground (VU) - etwa mit der Kollaboration mit Metallica auf sich aufmerksam. "Lulu" wurde überwiegend unterkühlt aufgenommen. Aber man darf davon ausgehen, dass sich Reed nicht groß darum scheren wird. Sicher auch nicht darum, ob im Publikum vielleicht mancher gern "Walk on the Wild Side" hören will - oder, schlimmer: mitsingen. Doo-doodoo …
So wird\'s heute mal richtig spannend: Was hat sich das "wirklich schwarze Schaf der Popfamilie" (Süddeutsche Zeitung) für die Tour vorgenommen? Die startet heute in der Rockhal Esch, führt Reed und Band dann unter anderem noch zu Open Airs nach Mainz (23. Juni, Zollhafen) und Bonn (29. Juni, Kunst!Rasen-Festival). Der Titel der Tour ist so unverbindlich wie umfassend, "From VU to Lulu", freie Auswahl von 1965 bis heute. Lou Reed wird wissen, ob er - der einstige Junkie, Glamrocker, Wegbereiter des Punk - "Heroin" spielen will oder nicht. Oder vielleicht die 40 Jahre alte "Walk on the Wild Side"-B-Seite, "Perfect Day". Das Stück wurde in den 90ern durch den Kinoerfolg "Trainspotting" zum Hit.
Die eingefleischten Lou-Reed-Verehrer wird das weniger interessieren. Für sie werden die Gastspiele so oder so ein Fest. An mancher Unberechenbarkeit im Namen Reeds ist der Künstler unschuldig: So wurde kürzlich eine neue Spinnenart in der israelischen Wüste entdeckt. Sie lebt im Untergrund - und erhielt den Namen Loureedia annulipes.Extra

Festivals: Am 23./24. Juni lockt das Rock-a-Field in Roeser (Luxemburg) mit buntem Programm von Motörhead über Snow Patrol bis zu Casper und Mumford and Sons. In Trier feiert das Summer of Riesenlöve Premiere (16., Exhaus-Sommerbühne, unter anderem mit Frittenbude, Egotronic, Bratze und großem Rahmenprogramm). Am 23. steht das Summerblast-Indoor-Festival im Exhaus an. Weitere Termine im Juni: Rockhal: Trivium (7.), Keziah Jones (8.), Black Label Society (11.), Kyuss lives (12.), Rise Against (13.). Slash (18.). Atelier, Lux.: Anthrax (8.), Kasabian (10.), Megadeth (13.), Die Antwoord (17.), Garbage (27.). Trier, Exhaus: Parachutes/Convois (8.), Xiu Xiu Larsen (28.), Turbo ACs (29.). VillaWuller: We Arms (15.) AF

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