Der Vorhang fällt nicht

TRIER. Ein charmantes Konzert mit einer kleinen Panne: 1800 Fans wollten Christina Stürmer sehen – und sahen eine Künstlerin, die vor allem durch ihre Natürlichkeit besticht.

Das Schlagzeug setzt ein, die ersten Akkorde erklingen. Christina Stürmer und ihre Musiker sind nur schemenhaft zu erkennen. Noch trennt sie ein dünner Vorhang von ihren Fans. Alle warten auf den Beginn der ersten Strophe, doch es kommt nur ein "Lebe lauter". Dann folgt Stille. Auf der Bühne wird es wieder dunkel.
Es wirkt wie ein Teil ihrer Show - bis ein Mitglied ihrer Crew auf die Bühne kommt und erklärt, dass das keineswegs ein Teil ihrer Show ist, sondern schlicht eine technische Panne. Der Vorhang hätte schon längst fallen müssen. Für Trier fällt er (erst mal) nicht. Hoch über der Bühne klettert ein Techniker auf das Stahlgerüst für die Scheinwerfer. Stück für Stück fällt der Vorhang jetzt doch. Und ist damit der Grund, "warum wir Trier ganz sicher nie vergessen werden" (Stürmer).
Das Schlagzeug setzt ein, die ersten Akkorde erklingen. Dieses Mal sind Christina und ihre Band auch zu sehen, und dieses Mal setzt sie mit der ersten Strophe von "Lebe lauter" ein. Ein Lied, in dem sie singt: "Du brauchst nicht perfekt zu sein." Diese Aufforderung nimmt sie auch für sich selbst in Anspruch. Andere Künstler hätten sich geärgert über den verkorksten Konzert-Start. Nicht so Christina Stürmer. Sie findet die Panne amüsant. Sie lacht darüber, genauso wie ihr Publikum.

Ihr bunt gemischtes Publikum beweist, dass sie mehr ist als ein Teenie-Star. Da sind auf der einen Seite zehnjährige Mädchen, die kreischend ihre selbst gemalten Plakate in die Luft halten. Da sind auf der anderen Seite aber auch die entspannt mit den Füßen mitwippenden Mittfünziger. Aber egal, ob zehn- oder 50-jähriger Fan: Zeile für Zeile mitsingen können sie alle.
Christina Stürmer begeistert vor allem mit einem Attribut, das sie nicht einstudieren konnte. Entweder ein Künstler hat es, oder er hat es nicht. Christina hat sie definitiv: eine bestechende Natürlichkeit. Ihre Show ist nicht bis ins letzte Detail perfekt duchchoreografiert, ihre Ansagen wirken eher spontan statt auswendig gelernt. Da macht sie sich schon mal über einen Fan in der ersten Reihe lustig, der statt auf die Bühne lieber permanent in sein Handy starrt: "Ist das nicht furchtbar langweilig?"
Ihre Songauswahl ist ein Mix aus ihrem deutschen Debütalbum "Schwarz Weiß" und der Nachfolgerplatte "Lebe lauter". Plus einem Buchtipp: Nick Hornbys "About a boy" empfiehlt sie den Trierern. Ein Buch über einen kleinen Jungen, der gehänselt wird. Das habe sie und ihre Band zu dem Stück "Seite eins" inspiriert. Kinder liegen ihr offenbar am Herzen: Als einzige Coverversion singt sie "Kinder an die Macht" von Herbert Grönemeyer.
Nach rund eineinhalb Stunden verabschiedet sie sich zum zweiten Mal von der Bühne. Ihre Fans wissen, dass das noch nicht alles gewesen sein kann. Denn ihre größten Hits "Ich lebe" und "Engel fliegen einsam" fehlen noch.
Natürlich singt sie noch, bevor sie ihre Fans nach Hause schickt - mit dem Gefühl, ein nicht ganz perfektes, aber sehr charmantes Konzert gesehen zu haben.

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