Theater Draußen Minusgrade, drinnen gar gekocht

Trier · Der zweite Teil von Totart Eifel spielt trotz eisiger Temperaturen im Saunagarten Trier.

 Martin Geisen (rechts) und Niklas Maienschein bei einer Probe bei Tageslicht im Saunagarten kurz vor der Ermordung des Pfarrers Hedwig.

Martin Geisen (rechts) und Niklas Maienschein bei einer Probe bei Tageslicht im Saunagarten kurz vor der Ermordung des Pfarrers Hedwig.

Foto: TV/Vanessa Jeker Theater Trier

Nacht im Saunagarten. Die Luft ist bitterkalt, die Schwitzhütten liegen einladend in kleinen Gräben, das beheizte Außenbecken dampft, während Eisschollen auf den Koi-Karpfenteichen schwimmen. Das Wasser des Beckens leuchtet rot auf, nur um wenige Sekunden später die Farbe in ein sattes Blau wechseln zu lassen. Beruhigende Beleuchtung in stilvoller Entspannungsatmosphäre. Eigentlich. Denn das rote Wasser lässt die Besucher im Ruhebereich für einen kurzen Moment aufschrecken. Hier soll gleich ein Mord stattfinden, soviel ist klar. Man hat ihn doch nicht etwa verpasst? Kurze, gebannte Stille, dann geht das Gebrabbel und Gekicher weiter. Und schließlich geschieht es doch; durch die Terrassentür, durch Fenster, durch Glastüren werden die 110 Zuschauer Zeuge davon, wie ein Mann in der Sauna eingeschlossen und über Nacht bei 80 Grad gar gekocht wird. So weit, so gut.

Was die Zuschauer des zweiten Teils der Totart Eifel-Trilogie des Theaters Trier in den nächsten 60 Minuten zu hören und sehen bekommen, sind Monologe von Menschen in und um die Saunaanlage; natürlich zum unglücklichen Verscheiden des Opfers, Pfarrer Hedwig. Die Putzfrau hat was gehört, der Saunabesitzer vermutet Dreck am Stecken, der Oberhirte weiß was. Und der Zuschauer darf miträtseln, wer etwas Handfestes gegen den beliebten Geistlichen gehabt haben könnte. Geschrieben wurde das Stück von Nora Schüssler eigens für das Theater Trier und den Saunagarten als besonderen Spielort.

Und besonders ist dieser Spielort. Die Zuschauer werden in drei Gruppen aufgeteilt und dürfen einem Großteil des Stückes in den warmen Ruheräumen folgen. Zur Auflösung geht’s dann raus, zurück zum Abkühlbecken. 80 Prozent der Monologe erleben alle Gruppen gleichermaßen, ein Monolog wird auf drei Figuren aufgeteilt: der Theologie-Referendar erzählt über den Selbstmord eines jungen Mannes, der besonders engen Kontakt zu einem älteren Geistlichen hatte. Ein Polizist und eine Polizistin erzählen sich simultan den Inhalt über Walkie-Talkies und vor den Zuschauern. Auf diese Weise bekommen die alle nötigen Informationen, um den Fall im Grunde aufklären zu können. Und die Darsteller, Marie Scharf (Putzfrau, Polizistin und Oberhirte), Martin Geisen (Saunabesitzer, Student, Pfarrer Hedwig) und Niklas Maienschein (Oberhirte und Theologie-Referendar) geben sich alle Mühe aus dem Platz einen Schauplatz zu machen. Fast ist es mit weit ausladenden Gesten und starker Mimik auf dem engen Raum zuviel Mühe. Besonders die stimm- und sprechgewaltige Marie Scharf legt in ihrem Spiel ein Quäntchen zuviel auf, sodass gerade die Figur der Putzfrau mit Dialektschnauze und Pausenbrotgürkchen jede Glaubwürdigkeit verliert. Wettmacht sie das als wesentlich ruhigerer und dadurch eindrucksvollerer Oberhirte. Im Vergleich dazu wirkt Geisen als Saunabesitzer farblos, besser steht ihm der Part des zu neugierigen Pfarrers, und die Rolle des Oberhirten ist auch für Maienschein ein Trumpf.

Mit der Inszenierung kann Helene Spät (auch Ausstattung) kaum auftrumpfen. Zu schwierig, zu eng, zu hell und heimelig ist die Atmosphäre in den Ruheräumen des Saunagartens. Bei den etwa 30 Zuschauern in einem Raum will einfach keine Theateratmosphäre aufkommen. Da wird reingerufen, werden unnötige Fragen gestellt, mitgespielt auf eine Weise, die an Kappensitzung erinnert. Wird gerade kein Monolog gehalten, giggelt und quatscht man in die vom Band abgespielte Entspannungsaufnahme (eingesprochen von Vanessa Jeker), die bis zum aufgenommenen Schäferstündchen als Teil der Inszenierung kaum wahrgenommen wird. Ein Theaterabend ist eben kein Tatort­abend vorm heimischen Fernseher. Dagegen gibt es kaum ein Anspielen.

Die Monologe von Schüssler bieten wenig Überraschungen, dafür viele Fährten, denen die Zuschauer folgen dürfen. Es könnte bei dem Mord um Missbrauch gegangen sein, um Homosexualtiät, um eine Frau, die ihren Mann verlassen hat, um eine Institution, die ihre Traditionen bewahren will. Die guten, wie die schlimmen. Solide herausgearbeitet, aber eben nicht mehr. Fazit: der Raum zu eng, die Figuren  flach, das Spiel zu nah, die Gesten zu groß, die Monologe vorhersehbar und klischeebehaftet. Und dennoch: Dem Publikum hat der Ausflug in den Saunagarten gefallen, die Geschichte überzeugt, die Spannung ausgereicht, um interessiert zu bleiben. Das Konzept ist geglückt, der Pfarrer tot.

Weitere Termine: Sonntag, 4. und 11. März, jeweils um 20 Uhr, im Saunagarten von Das Bad Trier.

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