Deutsch-französisches aus der Jazz-Kantine

TRIER. Mit einem erfrischend anderen Programm eröffnete die "Absolu Formation" in Triers ausverkaufter Kulturstube Tuchfabrik das Kulturhauptstadtjahr 2007. Das Konzert mit bekannten regionalen Musikern ist ein offizieller Beitrag der Stadt zum Kulturhauptstadtjahr 2007.

Die Schlange springt einem schon von weitem ins Auge. Ausverkauftes Haus. Nicht wenige müssen kartenlos von dannen ziehen und können sich höchstens mit einem Trostbierchen ins Textorium setzen. Es muss etwas Besonderes stattfinden im großen Saal. So ist es. Neun hochkarätige Musiker haben sich anlässlich der grenznahen Kulturhauptstadt 2007 zu einem Projekt zusammengefunden, mit dem sie das Kulturhauptstadtjahr für Trier eröffnen. Die "weiteste" Anreise haben Pianist Benedikt Schweigstill und der bezaubernde Blickfang am Akkordeon Susanne Boslé. Beide kommen aus Kaiserslautern. Arrangements von Helmut "Daisy" Becker

Neben dem Trierer Jazz-Matador Helmut "Daisy" Becker, der für den Großteil der musikalischen Arrangements der verjazzten Chansons verantwortlich zeichnet, komplettieren Nils Thoma und Stefan Weis das Bläsertrio. Für den richtigen Rhythmus sorgt Schlagzeuger Fredi Noll. Den Gegenbeweis zu Patrick Süskinds Sicht auf "den schwierigen Charakter eines Kontrabasses" tritt Stefan Zawar-Schlegel an. Wenn er in die Saiten greift, bezirzt er spielend nicht nur Sängerin Florence, sondern reißt das ganze Publikum zu Szenenapplaus hin. Das Verwischen der Grenzen ist ein Kern, der die "Absolu Formation" ausmacht - sowohl regional als auch musikalisch. Während die Entfernung zwischen der Kulturhauptstadt Luxemburg und Trier zumeist von Tanktouristen überbrückt wird, verkörpern an diesem Abend Hendrik Wisbar und Florence Absolu, die deutsch-französische ("Außer ,vann eich gelift' kann ich leider kein Luxemburgisch") Freundschaft. Den umwerfend französischen Charme hat die Wahl-Triererin im Blut, ebenso wie ihre Leidenschaft, auf der Bühne zu stehen. Sie singt nicht nur, sie lebt ihre Musik. Besonders die melancholischen Lieder entlocken ihr eine ungemein ausdrucksstarke Körpersprache. Den Spagat zwischen Flehen und wachsender innerer Stärke zeigt sie in "Ne me quitte pas", wohlige Gänsehaut und Bravo-Rufe des begeisterten Publikums beschert ihre Interpretation von Jacques Brels "Amsterdam". Ihr Gegenpart Hendrik Wisbar gibt mit ungewohnt streng zurück gegeelten Haaren den herrlich selbstironischen Dandy, der die "Herzen der stolzesten Frauen bricht" und dem weiblichen Geschlecht im gleichen Atemzug attestiert, dass sie keineswegs die braven Wesen sind, die sie oft vorgeben zu sein ("Frauen sind keine Engel"). Leider verschwindet Wisbars Stimme zeitweise unter dem dicken Klangteppich, den die Bläser ausbreiten. Einen starken Swing-Höhepunkt setzt der Jazzer mit seinem "Und der Haifisch der hat Zähne". Vereinzelte Pausen-Mäkler beschwerten sich wegen zu wenig frankophiler Florence im Programm, was die sympathische Sängerin im zweiten Teil nochmals zu erklären versuchte. Das hielt die Mäkler jedoch nicht davon ab, sich frühzeitig von der Veranstaltung zu entfernen. Der experimentell arrangierte Piaf-Klassiker "Je ne regrette rien" schien zu extrem. Schade, denn so entgingen ihnen die musikalischen Höhepunkte des Programms. Der Mut, neue musikalische Wege zu beschreiten wurde jedoch vom Gros des Publikums lautstark honoriert. Am Ende erfüllen Absolu und Wisbar den Wunsch, der sich während des gesamten Programms innerlich manifestierte: Mit "Ganz Paris träumt von der Liebe" geben sie das erste (und einzige) Duett des Abends. Einen gelungeneren Schlusspunkt hätte man nicht setzen können.

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