"Dialekt ist die Sprache des Herzens"

Trier · Mit seiner Warnung, dass der Dativ dem Genitiv sein Tod sei, hat Bastian Sick Millionen Leser erreicht. Seine Zwiebelfischkolumne im Spiegel nimmt sprachliche Patzer der Deutschen aufs Korn. Und obwohl sie der Ursprung vieler Fehler sind, liebt der Autor die Dialekte, wie er im TV verrät.

Trier. (uq) "Nur aus Jux und Toleranz": Unter dieser Überschrift steht das aktuelle Programm von Bastian Sick, mit dem er am 11. Februar ab 20 Uhr auch in der Trierer Europahalle seine Zuhörer eines Besseren belehrt. TV-Reporterin Ursula Quickert sprach mit dem Journalisten und Autor.

Ist der Kampf für gutes Deutsch in Zeiten der SMS, E-Mails und des Denglischen überhaupt noch zu gewinnen? Oder ist es gar kein Kampf?

Bastian Sick: Für mich ist es mittlerweile eine Lebensaufgabe geworden. Der Bedarf ist offensichtlich da, und er ist groß. Es ist wie bei einem Arzt, der ständig gegen neue Erkrankungen kämpft, auch wenn er weiß, dass er niemals siegen wird - jedenfalls nicht endgültig. Aber er tut es, weil es seine Lebensaufgabe ist und er im Einzelfall helfen kann. Auch ich kann vereinzelte Verbesserungen herbeiführen, das merke ich immer stärker, und dafür bin ich sehr dankbar. Schulklassen nehmen meine Bücher durch. In Niedersachsen und im Saarland gehören meine Bücher sogar zum Pflichtkanon für das Abitur. Ich bekomme auch sehr viel Post von Schülern. Ich beginne also schon frühzeitig zu wirken.

Ein Grund für die sprachliche Unsicherheit vieler Menschen ist der Dialekt. Ist Dialekt also schlechtes Deutsch?

Sick: Nein, ganz und gar nicht. Ich liebe die Dialekte, auch das Sächsische. Es gibt in jedem Dialekt herrliche Sachen zu entdecken, die sehr lustig sind, anschaulich, liebevoll und gemütlich. Der Dialekt ist die Sprache des Herzens, während die Hochsprache die Sprache des Geistes ist. Und warum sollte man Herz und Geist gegeneinander ausspielen? Wir brauchen beides! Meine Aufgabe besteht darin, die Standardsprache zu vermitteln und zu erklären, aber nicht auf Kosten der Mundarten oder des Volksmunds.

Zum Beispiel, dass wir Moselfranken nicht so oft "holen" sagen dürften, wie wir möchten

Sick: Die Tatsache, dass in Trier "holen" seliger ist denn "nehmen", ist eine köstliche Besonderheit der Region. Die Missverständnisse, die daraus entstehen können, sind der Stoff, aus dem Comedy gemacht wird! Sprache hat viel mit Absprache zu tun: Man einigt sich auf einen Wortgebrauch. So entwickeln sich Dialekte und Regionalsprachen, aber auch Jargons.

Bei Ihnen wird sicher jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Ist es nicht sehr anstrengend, dauernd so sehr darauf achten zu müssen, was man sagt?

Sick: Es stimmt, dass ich mich ständig kontrolliert fühle - am meisten von mir selbst. So geht es aber auch anderen, die Angst haben, mit mir zu sprechen, weil sie denken, dass bei mir ständig ein Fehlererkennungsprogramm liefe. Dabei zählen im Gespräch für mich die Inhalte. Es geht mir ja auch gar nicht darum, jemandem Fehler nachzuweisen. Ich bin keinesfalls der Besserwisser, für den mich manche halten. Es ist zwar meine Aufgabe, Dinge besser zu wissen als andere, aber ich verkaufe es auf eine unterhaltsame, leicht zu konsumierende Weise. So muss sich niemand auf den Schlips getreten fühlen.

Wobei es sicher schwierig ist, Menschen Grammatik in einer Liveshow rüberzubringen. Das funktioniert bei Ihnen ja hauptsächlich über die Geschichten, in die Sie Ihre Inhalte verpacken

Sick: Genau, das ist wie im Matheunterricht, bei dem zu lösende Probleme in Textaufgaben verpackt und so zu Geschichten mit einem Alltagsbezug werden. Auf der Bühne deute ich die Regeln nur an und erkläre sie nicht bis ins letzte Detail, das würde das Publikum überfordern - und mich selbst vermutlich auch. Ich wähle einen Mittelweg zwischen vorausgesetztem Wissen und Dingen, die einer Erklärung bedürfen. Und dazwischen ist viel Platz für Spaß und Lacher.

Aber ist es nicht gemein, über die Fehler anderer zu lachen?

Sick: Vielleicht ist es ein bisschen gemein, aber es ist zutiefst menschlich. Seit Clowns und Komiker wie "Dick und Doof" das erste Mal in eine Torte gefallen sind, lachen wir über die Missgeschicke anderer. Das hat eine Blitzableiterfunktion. Wir wissen, dass wir fehlbar sind und dass es uns auch selbst passieren kann. Ich selbst habe so viel aus meinen eigenen Fehlern gelernt, dass ich heute darüber lachen kann.

Ist richtige Sprache denn nicht im Grunde das, was die Mehrheit spricht, und nicht das, was als Regel festgeschrieben ist?

Sick: So ist die Duden-Redaktion seit Jahrzehnten verfahren. Sie hat sich angeschaut, was die Leute sprechen und welche Wörter neu in den Sprachgebrauch gekommen sind. Wenn ein Wort oft genug aufgetreten ist, wurde es in die nächste Duden-Ausgabe aufgenommen. Das nennt man Sprachwandel. Dasselbe gilt auch für grammatikalische Regeln. Ich freue mich ja, dass Sprache so lebendig ist und dass so viel über Sprache nachgedacht und öffentlich diskutiert wird, wie es zurzeit der Fall ist.

Der TV verlost Bücher und CDs von Bastian Sick. Dazu müssen Sie unsere Preisfrage beantworten. Wessen Tod ist der Dativ?

Die Nummer unserer Hotline lautet: 01379-370082 (Anrufe bis Donnerstag, 24 Uhr) Ein Anruf kostet maximal 50 Cent aus dem Festnetz der DTAG, abweichende Preise sind aus dem Mobilfunk möglich. Den Gewinner ermittelt das Los, der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Teilnehmer müssen mindestens 18 Jahre alt sein. Der Gewinn ist nicht übertragbar.

Tickets gibt es in den TV-Service-Centern in Trier, Bitburg, Wittlich, unter der TV-Tickethotline 0651-7199-996 und online unter www.volksfreund.de/tickets

Zur Person

Bastian Sick wurde 1965 in Lübeck geboren, studierte Geschichtswissenschaft und Romanistik in Hamburg und war als Lektor und Übersetzer der deutschen Sprachverwirrung auf der Spur. Von 1995 bis 1998 arbeitete er als Dokumentationsjournalist beim Spiegel-Verlag, seit Januar 1999 bei Spiegel Online. Seit Mai 2003 ist Bastian Sick Autor der Kolumne "Zwiebelfisch". Die zugehörigen Bücher wie "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" und "Happy Aua" wurden zu Bestsellern. (uq)

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