Die Barfliege

Viel beschäftigt ist Michael Kiessling zurzeit: Zwischen den Vorstellungen des gefeierten "Woyzeck" gastierte er im Variete Chat Noir mit seinem aktuellen Programm "Lieder unter'm Säufermond". Der gebürtige Trierer und Wahlberliner präsentierte im stilvollen Ambiente eine Revue düsterer Balladen voller Rauch und Hochprozentigem.

 Michael Kiessling im Chat Noir am Kornmarkt. TV-Foto: Frank Göbel

Michael Kiessling im Chat Noir am Kornmarkt. TV-Foto: Frank Göbel

Trier. Dreist zündet sich Michael Kiessling auf der Bühne eine Zigarette an, und so einige Leute im ausverkauften Chat Noir würden es ihm gerne gleichtun. Aber sie dürfen nicht, während Kiessling darf. Nun ist der Mann seit Jahren Nichtraucher, aber der bläuliche Qualm passt als klassische Requisite so gut zur Show wie der ganze Saal des Varietés am Kornmarkt: Rote Vorhänge, Kronleuchter, livrierte Kellner - der passende Rahmen für die "Lieder unter'm Säufermond". So heißt das aktuelle Programm des gebürtigen Trierers, eine "Bar-Revue" mit wenigen Songs über Leute, die mit Schampus anstoßen und vielen über wenig glanzvolle Kneipenaufenthalte, die sich nur darum endlos hinziehen, weil zu Hause ja doch nur ein Kopfkissen zuviel wartet. Nicht lange warten muss man auf "Tom Traubert's Blues", den Klassiker von Tom Waits. Und auf "Zauberland". Der Wahlberliner Kiessling, der auch schon in Trier mit "Neues Glas" die Lieder der alten Scherben gesungen hat, erklärt, dass der Klassiker gar nicht originär von Rio Reiser sei. Bei der "Dunklen Symphonie" patzt er - egal, Jens Saleh am Bass und Pianist Matthias Bersing nehmen's gelassen. Zusammen mit Drummer Matthias Brandt legen sie ihren dezenten Klangteppich erneut aus, und beim nächsten Hänger hüpft Kiessling einfach nahtlos in den Refrain. Dem Publikum ist's auch ziemlich gleich, Atmosphäre geht hier vor Perfektion. Carole Kings "You've Got A Friend" klappt dann wieder um so besser. Dazu begeben sich "Tunnessy" nochmals auf die Bühne, mit denen Kiessling das Programm schon eröffnet hat. Dass die zwei mit bürgerlichem Namen Bukowski heißen, ist ausreichend bewitzelt worden. Es ist aber deutlich zu sehen, dass das nicht der einzige Grund für die Freundschaft der drei ist: Der federleicht perlende Lounge-Sound der Konzer Brüder bildet den idealen Hintergrund für die großen, divenhaften Gesten von Kiessling. Mit großem Pathos, der in diesem Genre aber durchaus erlaubt ist, endet ein Abend, der auch nüchtern unterhaltsam war.Wer die "Barfly" Kiessling verpasst hat oder einfach nochmals erleben möchte, sollte sich am 9. April in der Karlsmühle im Ruwertal einfinden.

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