Die Basis jeder Chorkultur

Schweich · Die Chorkultur besteht nicht nur aus den spektakulären Events, den großen Konzert-Höhepunkten. Sie vollzieht sich oft im Stillen - in Gottesdiensten, kleinen Veranstaltungen und in der geduldigen künstlerischen Kleinarbeit. Dafür sind die Chöre in der Schweicher Pfarrgemeinde St. Martin prägnante Beispiele.

 Mosellanische Stämmigkeit und südländisches Temperament vereint Dekanatskantor Johannes Klar. TV-Foto: Martin Möller

Mosellanische Stämmigkeit und südländisches Temperament vereint Dekanatskantor Johannes Klar. TV-Foto: Martin Möller

Schweich. Die ganz normale Unruhe vor einer Chorprobe bleibt im Schweicher Kirchenchor St. Martin eine kurze Episode. Dann ergreift Johannes Klar die Initiative. Und tut das so nachdrücklich, dass sich unter den Sängerinnen und Sängern im Pfarrheim eine Stimmung verbreitet, der jede feierabendtypische Lässigkeit fehlt. Mit ein paar Gesten signalisiert der Schweicher Organist und Chorleiter: Hier geht es um konzentrierte Arbeit an der Musik. Bei den 40 Sängerinnen und Sängern, von denen etliche offensichtlich das Rentenalter erreicht haben, wachsen künstlerisch die Bäume nicht in den Himmel. Aber sie musizieren mit Bedacht und Engagement.
Hürden der Probe genommen


Für den Gottesdienst stehen ein wenig bekanntes Lied und ein vierstimmiger Choral an. Vor allem der Choral will geprobt, erarbeitet sein. Aber mit seiner Mischung aus mosellanischer Stämmigkeit und südländischem Temperament nimmt Klar alle Hürden, und am Probenende klingen Lied und Choral so überzeugend vollstimmig, wie Kirchenlieder klingen müssen.
Johannes Klar, seit 1976 Kirchenmusiker in Schweich, hat eine breit gefächerte Ausbildung absolviert - Orgel, Chorleitung musikalische Jugendausbildung, Gesang. Seit 2002 ist er Dekanatskantor im Bistum und dort auf etlichen Feldern engagiert. Klar lässt die Vermutung, in der Probe müssten Töne einstudiert werden, bevor man zum Musizieren komme, gar nicht erst aufkommen. Auch wenn eine Phrase eingeübt oder korrigiert werden muss - in jedem Moment der Probe geht es um Musik und Musizieren. Statt ängstlich und pedantisch Töne einzustudieren, gibt der Dirigent den Musizierimpuls weiter, der ihn selber beseelt, singt mit wohlklingender Tenorstimme vor, spielt stehend am Flügel mit, läuft gelegentlich energisch zum Chor hin, und wenn ihm beim Mitspielen mal der eine oder andere falsche Akkord unterläuft - wen stört das schon?
Nach der Kirchenchorprobe beginnt für Klar die zweite Runde. Mit dem Vokalensemble hat er eine Formation etabliert, die künstlerisch ambitionierter arbeitet als der Kirchenchor und damit auch Jüngere ansprechen soll. Klars Credo: "Man kann junge Leute nur über Qualität gewinnen". Und in der Tat: An der Jugendlichkeit mag es noch ein wenig fehlen, auch im Vokalensemble sind die meisten im mittleren Alter. Aber die Ansprüche sind gestiegen. Die Messen von Lajos Bardos von 1944 und Josef Rheinberger aus dem Ende des 19. Jahrhunderts verlangen a-cappella-Qualitäten: Intonationssicherheit, Stimmkultur, aber vor allem die Kunst, aufeinander zu hören. Darin schult Johannes Klar seine rund 20 Sängerinnen und Sänger beharrlich. Gut zehn Mal pro Jahr sind sie öffentlich präsent - im Gottesdienst und in Kirchenkonzerten. Und wenn die Stadt Schweich Anlass zum Feiern hat, dann werden sie regelmäßig um Mitwirkung gebeten.

Stetige Detailarbeit


Kirchenchor und Vokalensemble sind jeweils für sich aktiv - wobei natürlich Doppelmitgliedschaften bestehen und die Ensembles häufig miteinander oder zumindest nebeneinander musizieren. Eins haben sie gemeinsam. Es sind nicht die Events, die großen Konzerte, die spektakulären Auftritte, die diese Sänger anziehen. Es ist die stetige, um Qualität bemühte und immer wieder von kleinen künstlerischen Erfolgen gekrönte Detailarbeit.
Kirchenchor und Vokalensemble sind keine Plattformen zur künstlerischen oder organisatorischen Selbstdarstellung, sondern gesungene Teilhabe an Kirche und Gottesdienst. Das haben die Schweicher mit fast allen Kirchenchören gemeinsam. Sie sind Basis jeder Chorkultur - unauffällig, aber unverzichtbar.

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