Die chaotischste Familie der Welt

Merzig · Der Merziger Zeltpalast legt in diesem Jahr bei seiner traditionellen Sommerproduktion noch eine Schippe drauf: Zum ersten Mal gibt es mit der "Addams Family" am 22. August eine exklusive deutsche Musical-Erstaufführung. Zeltpalast-Chef Joachim Arnold setzt einmal mehr alles auf eine Karte.

 Eine schrecklich nette Famillie: In Merzig erobert die „Addams Family“ die Bühne. Foto: Zeltpalast Merzig

Eine schrecklich nette Famillie: In Merzig erobert die „Addams Family“ die Bühne. Foto: Zeltpalast Merzig

Merzig. Es war in Sydney, wo Joachim Arnold das Addams-Musical zum ersten Mal sah. Da kam das schräge Kultstück frisch vom Broadway, und die Australier hatten eine neue, spritzige Version kreiert. Der Merziger Impresario (siehe Extra), selbst durch Film und Fernsehen mit dem Addams-Fieber infiziert, verbiss sich in die Idee, das Stück nach Deutschland zu holen.
Im Grunde ein absurder Gedanke. Da standen sechsstellige Beträge allein für die Rechte zur Diskussion, das Stück und die Texte mussten professionell übersetzt werden, nötig war eine neue szenische Konzeption, passgenau fürs deutsche Publikum. Aber Arnold wäre nicht Arnold, ließe er sich durch solche Hindernisse von einer Idee abbringen. Und so steht nun zwei Jahre nach Sydney, im August, die Addams-Premiere im Zelt an.
Das Musical beruht auf den Figuren aus den Cartoons von Chas Addams, die wiederum eine Fernsehserie in den 60er Jahren inspirierten, die ihrerseits in den 90ern zwei erfolgreiche Film-versionen nach sich zog. Mit reichlich schwarzem Humor werden die klassischen Familienserien parodiert. Denn bei den Addams\' ist alles anders. "Normal" gilt bei der düsteren Mama Morticia und ihrem Latino-Ehemann Gomez als größtes Schimpfwort. Zu dumm nur, dass Töchterchen Wednesday ausgerechnet den Spießer-Sprössling Lucas heiraten will - samt dessen bourgeoiser Familie. Aber die muss sich erst einmal an die bizarren Mitglieder des Addams-Clans wie Grandma und Onkel Fester gewöhnen. Der Zeltpalast fährt auch personell ordentlich auf. Musical-Star Uwe Kröger gibt Papa Addams, die aus Fernsehcomedys bekannte April Hailer ist als spießige Mama Alice zu sehen. Heimspiele gibt es für Edda Petri (Morticia) und Anne Welte (Grandma). Zwanzig international erfahrene Profis werden über die Bühne wuseln, die Christian Floeren genüsslich als Horrorkabinett mit Gruseltapeten, Skeletten und ziemlich modrigem Charme entworfen hat.
Joachim Arnold sieht die Ausstattung (für die Kostüme zeichnet wie gewohnt die Triererin Ulli Kremer verantwortlich) eher unter praktischen Gesichtspunkten: "Alles passt in einen großen LKW", sagt der 49-Jährige, "das ist wichtig, wenn wir die Produktion weiterverkaufen."
Und dafür sieht es gut aus. Im Winter gastiert man in Bremen, Verhandlungen mit Düsseldorf, Berlin, Braunschweig laufen, Wien ist unter Dach und Fach - nur das Haus steht noch nicht fest. Allein über solche Folgeaufträge lässt sich das Mammutprojekt finanzieren. Denn die öffentlichen Zuschüsse, die Arnold zur Verfügung stehen, sind mit gut 100 000 Euro von der Stadt und 25 000 Euro vom Land eher bescheiden.
Letztlich hängt alles davon ab, wie die Merziger Addams-Version einschlägt. Und da hält Arnold gleich drei Trumpfkarten in der Hand. Regie führt Andreas Gergen, in Saarbrücken groß geworden, inzwischen Operndirektor in Salzburg und bundesweit gefragter Musical- und Operettenspezialist. Ein geradezu legendärer Ruf eilt dem Choreographen Danny Costello voraus - nicht nur, weil er der derzeit spannendsten Bühne in Deutschland, der Komischen Oper Berlin, seinen Stempel aufdrückt.
Und da ist ja auch noch das dreizehnköpfige Orchester unter Leitung von Tobias Deutschmann, mit bekannten Größen wie Keyboarder Achim Schneider (leitete "Paradise of pain" im Theater Trier), Luxemburgs Star-Trompeter Ernie Hammes und Gitarrist Michael Bedersdorfer (spielte bei der Night of Music in der Arena). Auch technisch hat Merzig aufgerüstet. In luftiger Höhe sind mobile Verfolgerwagen am Start, auf großen Rückprojektionswänden toben sich Videoprofis aus. Aber entscheidend ist auf\'m Platz Und da schlägt die Stunde der Wahrheit am 22. August.
"The Addams Family" ist vom 22. August bis zum 28. September jeweils freitags bis sonntags um 20 Uhr zu sehen. An Samstagen und Sonntagen gibt es auch Nachmittagsvorstellungen. Karten im TV-Service-Center Trier, unter 0651/7199-996 oder auf <%LINK auto="true" href="http://www.volksfreund.de/tickets" class="more" text="www.volksfreund.de/tickets"%>. Detail-Infos zur Produktion unter <%LINK auto="true" href="http://www.musik-theater.de" class="more" text="www.musik-theater.de"%>
Extra

Der 1965 in Merzig geborene Joachim Arnold ist ausgebildeter Konzertpianist und Dirigent (Foto: dpa). Seit Mitte der 1990er Jahre organisiert er eine sommerliche Musiktheater-Produktion in seinem Zeltpalast in der Nähe des Merziger Hafens. Arnold war Projektleiter an der Komischen Oper Berlin, Marketingdirektor am Opernhaus Zürich und künstlerischer Leiter bei den Opernfestspielen St. Margarethen in Österreich. Aktuell ist er stellvertretender Intendant des im Umbruch befindlichen Opernhauses Wuppertal. Arnold hat als einer der ersten den "Intendanten-Studiengang" für Kulturmanagement in Zürich absolviert. Aus diesem Studiengang stammt auch die künftige Spitze des Trierer Theaters mit Intendant Karl Sibelius und Stellvertreter Tobias Scharfenberger. DiL

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