Die dreibeinige Diva

TRIER. Klingende Musikgeschichte. Jetzt tauchte der erste in Trier gebaute Flügel wieder in der Moselhauptstadt auf und präsentierte der kleinen, aber hoch interessierten Zuhörerschar seine Qualitäten. Er gehört zur Instrumentensammlung von Rudolf Ewerhart.

Die Diva steht auf drei Beinen und ist ausgesprochen launisch. Vorm Konzert und in der Pause muss der Stimmer ran, um dem historischen Instrument die falschen Töne abzugewöhnen. Lohnend war der Auftritt dennoch.Zum swingenden Legato fähig

Der erste Flügel aus Trier, Baujahr 1828/29, hat Noblesse, Charakter und dazu eine "oberschlägige" Mechanik. Die Hämmer berühren die Saiten nicht von unten, wie heute beim Flügel üblich, sondern von oben. Das verschafft dem Instrument von J. L. Becker aus der Sammlung von Rudolf Ewerhart einen präzisen, feinen Anschlag. Und weil es außerdem zu einem singenden Legato fähig ist und sich der Pianist Eckart Sellheim aufs Helldunkel der Schubertschen Tonsprache bestens versteht, war das Klavierstück Es-Dur aus dem letzten Lebensjahr des Romantikers ein eindrucksvoller Höhepunkt. Nicht immer war das Glück den Interpreten so hold. Obwohl mit Hans-Martin Linde ein renommierter Flötist auftrat, erwies sich die Kombination von historischer Traversflöte und Flügel als ziemlich problematisch. Von Haydns Sonate C-Dur hat der Hörer in der Originalfassung für Streichquartett eindeutig mehr, und Beethovens Violinsonate op. 12,2 klingt in der Flötenversion noch klavierlastiger, als sie ohnehin schon ist. Auch bei den Stücken von Wolfgang Amadeus und Franz Xaver Mozart (Vater und Sohn) war es um die Klangbalance nicht gut bestellt. Da spielt die Flöte zu oft nur die zweite Geige. Trotzdem keine Frage: Hans-Martin Linde, der große alte Mann historischer Interpretationspraxis, und Eckart Sellheim harmonieren wunderbar und entlocken der Musik eine gezügelte Energie, die gefällt und die trotzdem nachdenklich stimmt. Es gehört nur wenig Phantasie dazu, sich vorzustellen, wie empört unsere Altvorderen auf die für sie moderne Musik reagierten - nicht nur bei Wagner und Liszt, sondern schon beim späten Beethoven, bei Schumann und manchmal sogar bei Mendelssohn. So ändern sich die Zeiten und die Hörgewohnheiten. Interpreten und Instrumente haben daran nachhaltig erinnert.

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