"Die Energie ist noch da ..."

Trier · 100 Millionen verkaufte Tonträger und 45 Jahre Bandgeschichte sind genug, wir gehen nie mehr auf Tour: So wollten die Scorpions 2010 eines der erfolgreichsten deutschen Musikprojekte langsam auslaufen lassen. Daraus wurde nichts. Sie traten vom Rücktritt zurück und touren munter weiter. Gitarrist Matthias Jabs stellt sich den Fragen von TV-Redakteur Jörg Pistorius.

"Die Energie ist noch da ..."
Foto: Etienne Laurent (g_kultur

Trier. Es scheint ein anderes Zeitalter gewesen zu sein. Eine Hardrockband aus Hannover spielte schnelle und schneidende Stücke wie "Blackout" und "Dynamite" so, als seien sie akustische Waffen. Schon in den lange vergangenen 70ern und 80ern waren die Scorpions Giganten in den USA und Asien. Der große Ruhm in der Heimat kam erst Anfang der 90er mit der Ballade "Wind of Change". Heute sind sie immer noch da. Und das wird sich auch so schnell nicht ändern, sagt Gitarrist Matthias Jabs im Gespräch mit TV-Redakteur Jörg Pistorius.Trau keinem über 30, war ein Motto der 68er. Jetzt sind die Scorpions 51 - und Sie sind im Oktober 60 geworden. Matthias Jabs: Diese Sprüche sind doch Schnee von gestern (lacht). Nein, im Ernst: Es war natürlich in den 70ern und 80ern weder geplant noch abzusehen, dass es uns als Band so extrem lange geben würde. Es hat sich damals auch niemand vorstellen können, dass Hardrocker auf der Bühne und im Studio so lange aktiv sein können. Aber wir haben uns nie ausgeruht, sind immer noch live präsent und produzieren auch immer noch neue Songs - eine echte Frischzellenkur.So wie der Anblick jubelnder Fans, die jünger sind als manche eurer Stücke.Jabs: Das ist wirklich unfassbar. Da sind diese jungen Leute, die in den Zeiten von "Animal Magnetism" oder "Love at first Sting" noch gar nicht auf der Welt waren, und drängen sich in die erste Reihe. Weiter hinten stehen dann die Leute, die Jahrzehnte mit uns mitgegangen sind. Das fühlt sich toll an.Trotzdem gab es auch Kritik in den letzten Jahren, und das zuRecht. 2010 sollte die letzte große Tour laufen, der endgültige Abschied von den Bühnen der Rockwelt. Das hat auch Klaus Meine 2012 in einem Interview mit unserer Zeitung betont.Jabs: Wie man sich doch täuschen kann ...Dieses lange Spiel mit dem endgültigen Abschied war aus Sicht vieler Fans auch tatsächlich eine Täuschung oder zumindest ein Marketingmanöver.Jabs: Wir haben es damals wirklich ernst gemeint. Es sollte die letzte große Tour sein, daran haben wir geglaubt. Die Band sollte zwar weiter bestehen, aber das ständige Reisen um die Welt sollte aufhören.Warum habt ihr eure Meinung geändert?Jabs: Wir haben wohl einfach Blut geleckt. Die Begeisterung der Fans spielt hier wohl ebenso eine Rolle wie unsere unverändert riesige Freude am Schreiben neuer Stücke. Außerdem kam 2013 das Angebot von MTV Unplugged, das wir schon lange machen wollten, aber bisher nie annehmen konnten. Und schließlich fand Rudolf noch ein uraltes Plakat aus dem Gründungsjahr 1965 und meinte, es wäre doch eine Schande, wenn wir die 50 im Jahr 2015 nicht komplett machen würden.Diese 50 feiert ihr seit Monaten mit einer intensiven Tour vor allem durch die USA. Von Abschied ist keine Rede mehr. Liegt der Schwerpunkt eines heutigen Konzerts auf den alten Sachen wie "Rock you like a Hurricane" oder "Blackout"?Jabs: Natürlich, diese Songs spielen wir immer noch. Und sie sind, obwohl sie ja wirklich lange zurückliegen, für uns noch ebenso präsent wie für die Fans. Die Energie ist noch da.Sie haben sich als Schüler das Gitarrespielen selbst beigebracht und spielten schließlich bei einer der erfolgreichsten Rockbands aller Zeiten. Haben Sie einen Rat für junge Musiker der heutigen Zeit?Jabs: Ich habe damals unter erschwerten Bedingungen geübt. Lange vor dem Video- und Internetzeitalter hatte ich nur einen Plattenspieler. Die Älteren unter uns wissen, dass die alten Geräte zwei Geschwindigkeiten für LPs und Singles hatten. Ich habe viele Sachen langsam abgespielt, um schwierige Stellen spielen zu können und daraus zu lernen. Heute hat man Videos auf You tube und andere Medien. Aber wenn es zu einfach läuft, bleibt es nicht so hängen. Grundsätzlich gilt: Üben, üben, üben. Und immer auf sich aufpassen.Das ist eher eine Warnung als ein Rat.Jabs: Ja, vielleicht. Es gibt in diesem Metier keine Garantie für beruflichen Erfolg. Und wenn man mal infiziert ist, dann ist es sehr schwer, wieder im normalen Leben Fuß zu fassen. jpIn der Rockhal im luxemburgischen Esch-sur-Alzette spielen die Scorpions am 12. März.Extra

Matthias Jabs (60) stammt aus Hannover und wurde 1978 Gitarrist der Scorpions. Die Band gab zuerst Michael Schenker, dem kleinen Bruder des Bandgründers Rudolf Schenker, den Vorzug, doch Schenker warf kurz darauf das Handtuch und gründete mit der Michael Schenker Group (MSG) eine eigene Band. Neben seiner Rolle bei den Scorpions entwickelt und baut Matthias Jabs Gitarrenmodelle und führt ein Fachgeschäft in München. Er ist zum zweiten Mal verheiratet und hat einen Sohn aus erster Ehe. jpExtra

Die Scorpions wurden 1965 von Rudolf Schenker (Foto: dpa) gegründet, der bis heute der Kopf der Band ist. Bereits das erste Album "Lonesome Crow" startete 1972 eine internationale Karriere. Das sechste Studioalbum "Lovedrive", hier spielte Jabs zum ersten Mal mit, wurde zu einem Megaerfolg. Mit "Blackout" etablierten sich die Scorpions 1982 in der Spitze der Rockwelt. Die Ballade "Wind of Change", 1989 geschrieben von Sänger Klaus Meine, wurde als Hymne der großen politischen Veränderungen in Europa gefeiert, von vielen Fans aber als kommerziell und weichgespült abgelehnt. jp

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