Die Finanzkrise als wortreiches Lustspiel

Die Wirtschaftskrise ist alles andere als lustig; sie hat viele Menschen in den Ruin getrieben. Doch die mehr als 150 Zuschauer im Theater Trier haben sich bei "Die Kontrakte des Kaufmanns" von Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek im Rahmen des Festivals "Maximierung Mensch 3" köstlich amüsiert bei einer bitterbösen Komödie.

 Die Kleinanleger gehen auf die Barrikaden. Foto: Theater

Die Kleinanleger gehen auf die Barrikaden. Foto: Theater

Trier. Sie haben alles verloren: Die Pension ist weg, das Haus, das Auto. Ihre Wut bricht aus ihnen heraus. Sie, die sich als Opfer krimineller Machenschaften sehen, die geprellten Kleinanleger, demonstrieren auf der Straße. "Wir haben keine Werte, wir sind nichts wert", zetern der Krüppel, die junge Mutter, die Braut, ein Mann. Sie klagen die Bankmanager an, ihre Gutgläubigkeit ausgenutzt zu haben. Die wissen zu verführen, einzulullen, zu verdummen. Im Rahmen des Festivals "Maximierung Mensch 3" beschäftigt sich das Theater Trier mit der Krise. Dazu hat es "Die Kontrakte des Kaufmanns" der Österreicherin Elfriede Jelinek als Gastspiel des Deutschen Theaters in Göttingen, inszeniert von Tilman Gersch und Barbara Wendland, nach Trier geholt.

Eine tragisch-komische Wirtschaftskomödie, die 2009 als Auftragswerk für das Theater Köln uraufgeführt wurde. "Jelinek hat dem Theater alles ausgetrieben, was es ausmacht", sagt Wendland.

Hysterische Kleinanleger singen im Chor



Es gibt keine Strukturen, keine Figuren, keine Geschichte, nicht mal Dialoge. Dafür aber seitenweise Wörter, Satzfetzen, Zitate, die, durchgeschüttelt und neu aneinandergereiht, einen neuen Sinn ergeben und den Sprachwitz ausmachen, der bei den mehr als 150 Zuschauern in Trier ankommt. Anders als bei der Uraufführung haben die Göttinger das Stück stark gekürzt und frei vorgetragen. Dass es bei der Wortfülle manchmal hakt, findet das Trier er Publikum eher amüsant, zumal die Schauspieler jedesmal Hilfeschreie ausstoßen.

Ihren acht Darstellern haben Gersch und Wendland Texte zugewiesen. Sie agieren als Chöre hysterischer Kleinanleger und zynischer Bankiers, Engel und Teufel.

Als Schauplätze fungieren eine Gerichtsverhandlung mit Engeln als Richtern, die biblische Zitate in kapitalistische Gesetze einfließen lassen, oder die Feier der Bänker, die Kleinanlegerdemo. Das alles spielt sich ab irgendwo zwischen Himmel und Hölle.

Und auch Gott spielt seine Rolle; so werden Gesetze mit Gebetssplittern garniert. Vereinzelt fließen auch Kirchenlieder ein in die musikalische Begleitung von Hans Kaul am Piano.

"Gott hat geschaffen, wir haben es geschafft, ihr Geld so schonend wie möglich weggeschafft." Auf die Insel, dem Steuerparadies Guernsey. "So kommt es, dass ihr Geld weiter kommt als sie." Zynisch kommentiert Jelinek die Krise. Alternativen dazu entwickele sie keine, kritisiert Peter Spuhler (Heidelberg) in der anschließenden Podiumsdiskussion zur zeitgenössischen Dramatik mit acht Theatermachern.

In der Öffentlichkeit sei das Thema durch, meint Ulf Schmidt, Autor des in Trier uraufgeführten Stückes "Sich Gesellschaft leisten". Die Frage sei: Wie können aktuelle Themen theatral verarbeitet werden, ohne der Aktualität hinterherzuhinken. Wichtig sei auch, in Klassikern die Aussagen für heute zu finden.

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