Die Herrschaft des schönen Scheins

Trier · Verpackungen werden weggeworfen, sobald ein Produkt ausgepackt oder verbraucht ist. Dennoch sind sie wichtig. Das Aussehen ist ein Kriterium dafür, welches Produkt wir kaufen. In Rheinland-Pfalz wird alle zwei Jahre ein Preis für gutes Produktdesign vergeben.

 Ein Traubenvollernter soll nicht nur Trauben lesen, sondern auch schön sein. Nach dieser Philosophie wurde jedenfalls der ERO-Grapeliner Serie 6000 entwickelt. Foto: Ero Studio

Ein Traubenvollernter soll nicht nur Trauben lesen, sondern auch schön sein. Nach dieser Philosophie wurde jedenfalls der ERO-Grapeliner Serie 6000 entwickelt. Foto: Ero Studio

Trier. "Mehr Umsatz mit neuem Verpackungsdesign", versprach unlängst ein führender Leuchtstoffhersteller seinen Händlern. Tatsächlich stärkt attraktives Produktdesign die Marktposition der Unternehmen. Das bestätigen unter anderem Untersuchungen im Auftrag der Stiftung Industrieforschung und des Bundeswirtschaftsministeriums. Bei Konsumgütern kann das richtige Outfit danach bis zu 60 Prozent an Umsatzsteigerung bewirken. Es macht für angehende Käufer nun mal einen großen Unterschied, ob der vielversprechende Wischmopp als graue Maus oder als poppiger Muntermacher daherkommt. Und auch das ozeanblaue, aerodynamische WC-Reiniger-Behältnis verspricht mehr Frische als der langweilig weiße Kollege mit dem Etikett, das an eine Verwaltungsvorschrift erinnert.
Mehr noch: Produktdesign wirkt identitätsstiftend. Es macht eine Marke wiedererkennbar. "Design ist ein wesentlicher Bestandteil des Marketing-Prozesses", bestätigt ein Beitrag des Instituts für Wertprozessmanagment-Marketing der Universität Innsbruck. Aber nicht nur übliche Konsumartikel setzen auf gutes Design. Auch für Investitionsgüter wie Produktionsmaschinen wird gelungene unverwechselbare Gestaltung im internationalen Wettbewerb immer wichtiger. Der Fahrer eines Traubenvollernters sitzt - davon war die Jury des Designpreises Rheinland-Pfalz 2011 überzeugt - mit produktiverem Frohsinn auf seinem Ferrari-roten Gerät als der Lenker der gleichen olivgrauen Maschine.
Welt und Wirtschaft hängen entschieden an der äußeren Gestalt. Ganze 70 Prozent aller Informationen werden zuerst über den Augenschein wahrgenommen und erfasst, haben Wissenschaftler ausgerechnet. Mit ihrer Arbeit haben Produktdesigner einen maßgeblichen Anteil an solcher Informationsübermittlung. Auch in Rheinland-Pfalz ist das inzwischen bekannt. Etwa 2.3 Millionen Euro werden dort in der Kreativwirtschaft, zu der die Designer gehören, umgesetzt. Das entspricht dem Umsatz der Bauwirtschaft.
Doch mit schönen Formen und Farben allein ist es beim Produktdesign nicht getan: Das Aussehen der Dinge muss vielmehr nachhaltig, funktional, umweltschonend und zudem möglichst günstig herstellbar sein. Gutes Design sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, mahnte Ettore Sottsas, der bedeutendste Designer des vorigen Jahrhunderts: "Für mich ist Design eine Art, um Leben, soziale Verhältnisse, Politik, Ernährung und eben auch Design zu erörtern", stellte der Mann fest, der für die italienische Firma Alessi Haushaltsgegenstände gestaltete, die heute Kultstatus haben. Die Designergemeinschaft der "Creative People"darf denn auch kein Völkchen sich selbst genügender Formgeber sein. Sie ist Teil eines interdisziplinären Teams aus Technikern, Gestaltern, Marketingspezialisten und sogar Psychologen, die zusammenarbeiten. "Es ist unbedingt nötig, dass wir grenzüberschreitend denken und vernetzt handeln", versichert auch Franz Kluge, der Dekan des Fachbereichs Gestaltung an der Fachhochschule (FH) Trier. Auch für ihn ist klar: Gute funktionsgerechte Gestaltung macht Qualität sichtbar.
Kundenwünsche berücksichtigt


Zukunftsfähige Unternehmen setzen daher auch in der Region auf gutes Design, und das nicht nur bei Briefpapier und Büromöbeln. "Die gestalterische Anmutsqualität unserer Produkte ist mir ganz wichtig", betont Heinz Nägel, geschäftsführender Gesellschafter der Feluwa Pumpenwerke in Mürlenbach. Für die Gestaltung seiner "Multisafe-Pumpe" hatte das Unternehmen beim Designpreis Rheinland-Pfalz 2005 eine Auszeichnung erhalten. Noch viel zu wenig sei im Bewusstsein verankert, wie wichtig und effizienzsteigernd gutes Design auch bei der Herstellung von Maschinen und Industrieanlagen sei, bedauert der studierte Maschinenbauer.
Eine Studie der European Business School ,Wiesbaden, gibt ihm Recht. Danach haben 70 Prozent der Manager die Bedeutung von gutem Produktdesign erkannt. Allerdings nur 25 Prozent nutzen es strategisch. Das Design der prämierten Feluwa Pumpe war in Zusammenarbeit mit der FH Trier entstanden. Das schöne, funktionsgerecht gestaltete Produkt ist nicht nur eindeutig als Pumpe zu erkennen, die Farbgebung dient auch der Orientierung und damit der Arbeitserleichterung. So sind etwa die Schrauben zum Entlüften oder Ablassen des Öls farblich unterschieden.
Design motiviert Mitarbeiter


Dass gutes Produktdesign vorhandene Umsatzpotenziale erschließt und Mitarbeiter motiviert, davon ist auch Nägel überzeugt: "Gutes Design ist mir nicht nur selbst wichtig, wir reagieren damit auch auf die Erwartungshaltung der Käufer." Design müsse gleichermaßen nachhaltig, nützlich und ästhetisch ansprechend sein, erklärt Anita Burgard. Die Professorin für Produktdesign an der FH Trier unterstreicht: "Design muss die Qualität eines Produktes hervorheben."
Freilich steht eins auch fest: Fehlende substanzielle Qualität eines Produkts kann auch durch äußere Gestaltung nicht dauerhaft ausgeglichen werden.Extra

Das rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerium vergibt abwechselnd jährlich einen Preis für Kommunikations- und Produkt-Design. Produktdesign widmet sich in den Arbeitsgebieten Konsumgüter und Investitionsgüter dem Entwurf und der Gestaltung von Industrieprodukten. Zu Konsumgütern zählen Möbel und Haushaltsgeräte, aber auch Verpackungen und Behälter von Reinigungsmitteln oder Schokolade. Zu den Investitionsgütern gehören Produktionsmaschinen, Medizintechnik und Nutzfahrzeuge. Kommunikationsdesign reicht von der Gestaltung von Werbeschriften und Plakaten bis hin zur Website. er

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