Die Karawane zieht weiter

Trier · Eine Karawane ist laut Duden eine Gruppe von Reisenden oder Forschern, die durch bislang unerforschtes oder unbewohntes Gebiet zieht. Die Trierer Kultur-Karawane ist ebenfalls auf der Suche nach Neuland. Mit frischen Ideen und unkonventionellen Projekten.

Trier. Wer in Trier-Süd über die alten Kopfsteinpflasterböden des Barbara-Viertels holpert, stößt an der Ecke Eberhardstraße/Weidegasse auf ein überraschendes Bild. Ein kleiner, lauschiger Platz, wie man ihn eher in Paris vermuten würde. Mit Bändern und Strickwaren dekorierte Bäume, ein zum Bücher-Tauschregal umfunktionierter Stromkasten, bunt verkleidete Sitzgelegenheiten, eine Hollywood-Schaukel, Stoff-Vögel in den Bäumen.
Da haben Menschen einen Platz in Besitz genommen, mitten in der Stadt, ohne Auftrag, in kreativer Eigen-Initiative. Jetzt entwickelt sich etwas daraus, ein Stück urbane Stadtqualität, keine Institution, keine Struktur - quasi frei schwebende Kultur.
Das ist kein Zufall. Denn dieser Platz und zwei angrenzende Wohnungen sind auch das Hauptquartier der "Kultur-Karawane". Dahinter stehen drei Künstler: Jochen Leuf, studierter BWLer und Liedermacher, Aline Pichon, diplomierte Modedesignerin und Toby Urban, Profi-Tontechniker und Multi-Instrumentalist.
Kultur für alle


Im letzten Jahr haben sie ihre Karawane gegründet. Dahinter steckt erstens eine Idee und zweitens viele konkrete Projekte. Die Idee: Professionelle Kultur unter die Leute zu bringen, abseits altbekannter Formen und Einrichtungen. Mit neuen, originellen Locations. Ohne großen Apparat. Für jede Art von Publikum. Spartenübergreifend.
Wie das funktioniert, hat kürzlich der Designmarkt "Moselschätze" am Flussufer in Höhe der Jugendherberge gezeigt. Ein künstlerisch gestaltetes Ambiente, ein breites Spektrum von Kunst-Anbietern, ein ganzheitlichen Angebot von Livemusik bis Leckerbissen. Für Dezember ist ein "Sterntaler-Markt" ähnlichen Zuschnitts geplant.
Das Herzstück der Karawane-Ideen ist aber ein Londoner Doppeldeckerbus, der buchstäbliche "Culture Caravan". Er soll künftig die Orte der Region befahren und Kultur aufs Dorf bringen. Mit allem Drum und Dran. Auf Bestellung. Eine spannende Alternative, gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels.
Ein Kultur-Bus, der nach ähnlichem Prinzip wie die rollenden Lebensmittelmärkte von Heiko funktioniert? Leuf & Co. finden den Vergleich keineswegs abwegig. "Was wir brauchen, ist ein Stromanschluss", sagt Toby Urban, "den Rest bringen wir mit."
Die drei haben für ihre Idee Sponsoren gefunden, wie den Föhrener Unternehmer Udo Treimetten. Es sei "schön zu sehen, dass auch alternative Konzepte professionell geplant werden", betont der Inhaber einer Firma für Veranstaltungstechnik. Öffentliche Subventionen gibt es bislang nicht. "Ein Topf für Projektförderung in Trier wäre schön", sagt Jochen Leuf.
Doch es geht nicht in erster Linie um Geld. "Wir wollen uns von der Kulturpolitik ernst genommen fühlen", fordert das Trio. Deshalb hat man sich auch kontinuierlich bei den Diskussionen über das städtische Kulturleitbild eingebracht. Und knüpft fleißig am Netzwerk mit anderen "jungen Kreativen", wie sie in Trier aus dem Umfeld der Hochschulen, aber auch aus Wohnvierteln wie Trier-Süd kräftig sprießen.
"Wir sind dabei, uns zu etablieren", so lautet Jochen Leufs optimistisches Fazit. Noch läuft vieles ehrenamtlich oder "nebenher". Leuf arbeitet saisonweise als Reiseleiter, Pichon macht Modedesign, Urban hat einen Halbtags-Brotjob als Tontechniker. Aber der Anspruch ist professionell - inklusive der Perspektive, eines Tages nur von der Kunst leben zu können. Und den Doppeldecker dann nicht mehr in Luxemburg ausleihen zu müssen, sondern in London ein ausrangiertes Exemplar zu erstehen.
Ausführlichere Informationen: <%LINK auto="true" href="http://www.kultur-karawane.de" class="more" text="www.kultur-karawane.de"%>

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