Die königliche Seele des Edelsteins

TRIER. Bernd Munsteiners Edelstein-Schliff löste anfangs heftige Kritik aus. Die Retrospektive im Landesmuseum zeigt indes, wie sensibel der Künstler mit dem kristallinen Material verfährt.

Bernd Munsteiner ist ein Künstler, der im eigenen Lande etwas gilt. Zur Pressekonferenz und zur Eröffnung der Ausstellung "Reflexionen in Stein" waren der Oberbürgermeister von Idar-Oberstein, Heinz-Jürgen Machwirth, und Axel Redmer, Landrat des Kreises Birkenfeld, eigens zum Trierer Landesmuseum gereist. Sie erwiesen unisono dem "herausragenden Neuerer des Edelsteinschliffs" ihre Reverenz und brachten Stadt und Landkreis als Touristenziel gleich mit ins Gespräch. Das war nicht immer so. Als Bernd Munsteiner Ende der 60er Jahre seine ersten Arbeiten ausstellte, stieß er unter den Edelsteinschleifern seiner Heimat auf heftigen Widerstand. Die hatten sich darauf konzentriert, durch geschickten Schliff einen Stein zum Leuchten zu bringen. Kreativität war dabei nicht gefragt. Munsteiner dagegen suchte andere, künstlerische Perspektiven und erhielt sie an der Fachhochschule für Gestaltung in Pforzheim. Fortan entwickelte er neue Techniken und neue Gestaltungsideen. Künstlerischer Umgang mit den edlen Steinen verlangt außerordentliche Sensibilität. Die kristallinen Mineralien haben ihre eigene Würde. Bernd Munsteiner erspürte die königliche Seele der Steine und kehrte sie nach außen. Dabei kann sich , was traditionell als Verunreinigung gilt, Reiz und Schönheit entfalten - Gesteins-Einschlüsse beispielsweise, oder Rutilnadeln im Bergkristall. Aus diesem Material hat er mit den "Metamorphosen" eine Serie von einzigartigen Skulpturen geschaffen. Sie gehören zu den eindrucksvollsten Exponaten dieser Ausstellung. Munsteiners bislang größte Herausforderung war ein hellblauer, 26 Kilogramm schwerer Aquamarin aus Brasilien, "Dom Pedro". In sechs Monaten erarbeitete er daraus einen 35 Zentimeter hohen Obelisken, der weltweit größte geschliffene Aquamarin. Aber nicht solche Superlative sind das Faszinosum dieser Skulptur. Es ist die Kunst, im wasserblauen Kristall mit wellenartigen Schnitten den ewig gleichen Rhythmus des Ozeans einzufrieren. Edelsteine waren über Jahrhunderte hinweg immer wieder Objekt monarchischer Willkür. Sie wurden zur herrschaftlichen Dekoration degradiert. Bernd Munsteiner bearbeitet sie, aber er verstellt nicht ihren Glanz. Traumhaft sicher balanciert er auf dem schmalen Grat zwischen künstlerischem Eigensinn und gesichtslosem Handwerk. Die akademische Trennung in reine und angewandte Kunst ist für ihn ohne Bedeutung. Ob Körperschmuck oder häusliche Dekoration, ob erotisches Objekt oder religiöses Symbol - in all seinen Arbeiten leuchtet das Feuer der Steine. Seit den 80er Jahren ist die internationale Anerkennung stetig gewachsen. Sie hat schließlich auch die Heimat erreicht. Jetzt bezeichnete Landrat Redmer die Ausstellung sogar als "bewusste und gewollte Wiedergutmachung". Der 60-Jährige ist vom Außenseiter zum Vorbild aufgestiegen. Rheinisches Landesmuseum Trier, mo. bis fr. 9.30 - 17 uhr, sa., so., feiertags 10.30 - 17 Uhr, bis 24. Oktober.

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