Die Krise fest im Griff

Dem Titel seines neuen Programms "Der Unterhaltungskanzler" machte der Mainzer Kabarettist Lars Reichow in der Tufa Trier alle Ehre. Er bewegte sowohl mit seiner Bandbreite an Themen, als auch mit deren einzigartiger musikalischer und verbaler Aufbereitung nachhaltig Kopf, Gefühl und Lachmuskeln.

 Lars Reichow nimmt die Krise aufs Korn. TV-Foto: Anke Emmerling

Lars Reichow nimmt die Krise aufs Korn. TV-Foto: Anke Emmerling

Trier. Am stärksten ist Lars Reichow, wenn er sich an den Flügel schwingt und seine spitzfindigen Beobachtungen alltäglicher gesellschaftlicher Merkwürdigkeiten oder politischer Großwetterlagen in Töne gießt. Nicht umsonst hat er den Spitznamen "Klaviator". Nicht umsonst steigt er mit einem Lied in sein Programm ein, das auch gleich seinen Anspruch des "Kanzlers der Unterhaltung" verdeutlicht, Themen intelligent, humorvoll, emotional und bildhaft zu verdichten. Ausgerechnet die Finanzkrise, sonst eher Gegenstand trockener Analysen, wird so zum Erlebnis. Der Text ist ebenso literarisch ("Die Ausweglosigkeit war so groß, dass der Untergang schon fast die Qualität einer Lösung hatte") wie witzig ("Und Schwester Angela mit der Finanzspritze deckte den Markt mit einer dünnen Kapitaldecke zu"). Gut die Hälfte von Reichows Programm besteht aus Liedern, unter ihnen die pointierte Beschreibung deutscher Befindlichkeit: "Wir sind die Jammertaler auf dem Berg", dann auch mal Lyrisches über das Glück oder Launiges wie die Parodie des französischen Schmachtliedes "Je t'aime". Zum Verschnaufen streut Reichow im Plauderton (Spott-)Geschichten ein, die wie die Lieder auch ein großes Themenspektrum von Bildungsnotstand über Klimawandel, Promikult bis Fettleibigkeit aufgreifen. Dabei werden die Zwerchfelle von originellen Überleitungen, überraschenden Blickwinkeln und der genüsslichen Ausweidung auch ganz alltäglicher Banalitäten strapaziert. Zum Beispiel einem Exkurs über leidige Krümelspuren im Familienheim, verursacht von Brötchen oder gar von warmen Kinderfüßen zermalmten Schokocroissants. Das Publikum spendet Gelächter und Applaus reichlich und bekundet damit auch, dass die vom Künstler vielfach geäußerte Trier-Sympathie auf Gegenseitigkeit beruht.

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