Die Kulturwoche Gammellook und Nostalgieklänge

Da sage noch mal einer, mit gammeligen Klamotten sei kein Staat zu machen. Von wegen! Inzwischen hat ein grummeliges Outfit sogar etwas Staatstragendes! Der beste Beweis ist US-Senator Bernie Sanders, der bei Joe Bidens Vereidigung als der am schlechtesten gekleidete Gast neben der Hauptfigur die meiste Aufmerksamkeit erzielte.

 Senator Bernie Sanders trägt während der 59. Amtseinführung des Präsidenten vor dem US-Kapitol Handschuhe. Sanders hat mit seinem inzwischen weltberühmten „Grumpy chic“-Look Geld für einen guten Zweck gesammelt.

Senator Bernie Sanders trägt während der 59. Amtseinführung des Präsidenten vor dem US-Kapitol Handschuhe. Sanders hat mit seinem inzwischen weltberühmten „Grumpy chic“-Look Geld für einen guten Zweck gesammelt.

Foto: dpa/Saul Loeb

Mit seinem inzwischen weltberühmten „Grumpy chic“-Look hat er inzwischen sogar Geld für einen guten Zweck gesammelt. Sanders‘ Team teilte mit, Fanartikel mit dem Aufdruck seines Outfits vom Tag der Präsidenten-Vereidigung hätten in den vergangenen fünf Tagen 1,8 Millionen US-Dollar eingebracht. Das Geld gehe an wohltätige Organisationen in Sanders‘ Heimat-Bundesstaat Vermont. Auf der Internetseite von Sanders‘ Kampagne gab es T-Shirts und Pullover mit einem Foto des Looks zu kaufen. Die ersten Klamotten seien in weniger als 30 Minuten ausverkauft gewesen. Und der Nachschub war nur zwei Tage später ebenfalls vergriffen gewesen. Sanders hatte bei Bidens Amtseinführung mit seiner Kleiderwahl für viel Aufsehen gesorgt. Er saß etwas abseits in einem olivfarbenem Parka – mit auffälligen Strick-Fäustlingen, die er auf seinem Schoß verschränkte, und passte überhaupt nicht in das feierliche Umfeld der Vereidigung. Der Schnappschuss verbreitete sich rasend schnell in sozialen Medien. Der Demokrat jedenfalls zeigte sich hocherfreut, dass seine schlampigen Klamotten immerhin gut genug waren, um mittlerweile Menschen in Not zu helfen.

Wie praktisch ist es doch, einmal aufs Handy zu tippen, und die Lieblingsmusik klingt durch die Wohnung oder gleich durchs ganze Haus – von Metal bis Mozart, von Pop bis Prokofiev, von Beat bis Bach. Streamingdienste machen es möglich, und Platz spart es auch, braucht man sich doch nicht länger Regale ins Wohnzimmer zu stellen, um Compact Discs und Langspielplatten aufzureihen. Und dennoch will die gute alte Vinylzeit nicht so einfach verschwinden: Die wachsende Popularität der LP, die sich 33 Mal in der Minute um sich selber dreht, wirkt sich auch auf die Verkaufszahlen und den Umsatz von analogen Plattenspielern aus. Laut aktuellen Daten diverser Marktforschungsinstitute stiegen die Verkäufe von Plattenspielern 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 10 Prozent auf rund 160 000.  Und die Geräte sind den LP-Liebhabern immer mehr Geld wert. Es hat ja auch etwas geradezu Kultiges, eine Schallplatte aus der Hülle zu nehmen, sie vom Unterhemd – so nennen Insider den innenliegenden Schutz aus Papier oder Plastik – zu befreien und sie auf den Teller zu legen. Ehe aber die Musik beginnt, fährt man mit einem Bürstchen oder entsprechendem Tuch sanft über die schwarze Scheibe, um sie zu entstauben, liftet den Tonarm und schiebt ihn über die erste Rille – wobei es ja eigentlich nur eine einzige Rille auf der gesamten Oberfläche ist –, um ihn behutsam abzusenken. Und richtig nostalgisch wird es, wenn die Bratkartoffeln zu brutzeln beginnen – wieder so ein Insiderschnack, mit der LP-Lover das Knistern beschreiben, das bei einem alten Schätzchen nun mal nicht ausbleibt –, bis die Musik einsetzt. Geradezu etwas Meditatives hat es, wenn der Tonarm sich gaaaanz laaangsam dem Mittelpunkt des sich gemächlich drehenden Tellers nähert … Das Schönste aber dabei ist: Im Gegensatz zu einer bisweilen wackeligen Internetverbindung, die die gestreamte Musik zu einem lückenhaften Vergnügen macht, lassen den Hörer die im Vinyl verewigten Töne niemals im Stich.   no/dpa

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