Die Kulturwoche Für mündige Leser und enttäuschte Fans

Die deutschsprachige Ausgabe von Woody Allens Biografie wird wie geplant im April bei Rowohlt erscheinen. Das Buch mit dem Titel „Ganz nebenbei“ soll am 7. April veröffentlicht werden, teilte der Verlag in Hamburg mit.

 Eine Frau fotografiert Fußballschuhe aus dem Jahr 1938. Sie sind Teil der Ausstellung „Günther Grass: Mein Fußballjahrhundert“.

Eine Frau fotografiert Fußballschuhe aus dem Jahr 1938. Sie sind Teil der Ausstellung „Günther Grass: Mein Fußballjahrhundert“.

Foto: dpa/Frank Molter

„So können sich interessierte Leserinnen und Leser ihr eigenes Urteil bilden“, hieß es in der Mitteilung. Ziemlich lapidar, aber auch ziemlich bedeutsam: Ist die Veröffentlichung doch nicht weniger als ein Sieg der Meinungsfreiheit über die Furcht, in empfindlichen Zeiten nur ja niemandem auf den Fuß zu treten. Der US-Verlag Hachette, in dem die Originalausgabe erscheinen sollte, hat nach scharfen Protesten von Mitarbeitern des eigenen Hauses und aus der Familie Allens ziemlich schnell den Schwanz eingezogen und die Veröffentlichung auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben. Ursache sind bis heute nicht eindeutig geklärte Missbrauchsvorwürfe, die Allens Adoptivtochter Dylan Farrow gegen den Stiefvater erhebt. Die heute 34-Jährige behauptet, Allen habe sich in ihrer Kindheit an ihr vergangen; Allen selbst hat das immer bestritten. Ob diese schmuddelige Affäre, die die Familie längst zerrissen hat, wirklich jemals aufgeklärt werden kann, darf bezweifelt werden. Mal ganz abgesehen davon: Berechtigt es den Rest der Welt, dem Filmemacher das Schreiben zu verbieten? Und den Verlag, das Manuskript dann vertragswidrig nicht zu veröffentlichen? Wird da nicht lediglich einer wohlfeilen Empörungskultur das Wort geredet? Natürlich ist man sich bei Rowohlt bewusst, dass man sich mit der Publikation auf ein Minenfeld begibt. Gleichwohl „stehen wir zu der Entscheidung, die Autobiographie von Woody Allen, dessen Erzählungen seit 1980 im Rowohlt Taschenbuch erscheinen, im April in einer deutschen Übersetzung zu veröffentlichen“, verkündete Rowohlt-Verleger Florian Illies. Und „wir nehmen die Sorgen von Teilen der Öffentlichkeit wie von Autorinnen und Autoren, die im Zuge der geplanten Veröffentlichung geäußert wurden, ernst“. Das betreffe insbesondere den Vorwurf, die Verlagsentscheidung könne als unangemessen und missverständlich gegenüber Missbrauchsopfern gewertet werden. „Damit berührt die nun geführte Debatte grundsätzliche Fragen des Verlegens von Büchern im Spannungsfeld von Ethik und Meinungsfreiheit im digitalen Zeitalter.“

Der Rowohlt-Verlag will die Debatte weiterführen und plant demnächst eine Veranstaltung in Berlin zu diesem Thema.

Fußballfans, die am Wochenende schmollend, sauer, wütend oder wie auch immer wegen dieses vermaledeiten Virus – wie hieß es doch gleich noch mal? – zu Hause bleiben müssen und ihre Frauen, Freundinnen oder wen auch immer nerven, können Trost in Lübeck finden. Dort zeigt das Günter-Grass-Haus eine Ausstellung, die sich einer eher unbekannten Leidenschaft des Literaturnobelpreisträgers widmet. „Günter Grass: Mein Fußballjahrhundert“ heißt die Schau, die die Rolle des Fußballs im Leben und im Werk des Schriftstellers beleuchtet. Neben Manuskripten, Gedichten und Aquarellen sind in der Ausstellung auch sportliche Exponate, wie der Ball aus dem WM-Endspiel von 1954 und das Tor aus der Halbfinalbegegnung Brasilien – Deutschland bei der WM 2014 zu sehen. Damals hatte Deutschland den Rekordweltmeister Brasilien mit 7:1 besiegt. Grass sei ein leidenschaftlicher Fußballfan gewesen, der vor allem kleinen Vereinen wie dem SC Freiburg und dem 1. FC St. Pauli die Daumen gedrückt habe, sagte der Leiter des Grass-Hauses, Jörg-Philipp Thomsa. Grass war 2015 in Lübeck gestorben. Kleiner Tipp: Ehe jetzt alle Ballaficionados die Züge gen Norden stürmen, sollten sie am Bahnsteig vielleicht noch mal kurz checken, ob sie auch ins Haus gelassen werden. Nicht, dass sich am Ende die weite Fahrt gar nicht gelohnt hat … 
no/dpa

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