Die Kulturwoche: Ein Song, eine Frau, ein Wahnsinnspreis

Planen Sie in der nächsten Zeit einen Trip nach New York? Als kulturbeflissener Mensch - würden Sie sonst diese Seite lesen? - wollen Sie bestimmt auch dem Broadway einen Besuch abstatten. Dort sind Theatertickets immer schon etwas teurer gewesen als an den anderen Theaterkassen dieser Welt.

Das Shubert Theater, knapp 200 Meter vom Broadway an der 44. Straße gelegen, schießt dabei derzeit den Vogel ab. Dort läuft seit April dieses Jahres eines der zahlreichen Revivals von "Hello, Dolly", jenem Musical von 1964, in dem es nur einen einzigen erfolgreichen Song gibt, nämlich das Titellied; der Rest der Partitur von Jerry Herman ist pillepalle. (Und für diesen Song, aber das nur nebenbei, bekam er auch noch eine Plagiatsklage an den Hals, weil er sich zu sehr von einem anderen, bis dato ziemlich unbekannten Schlager namens "Sunflower" hatte "inspirieren" lassen, was Herman vehement bestritt - und trotzdem zahlte). Der Erfolg dieser Show nach Thornton Wilders "Heiratsvermittlerin" steht und fällt allerdings mit der Hauptdarstellerin; sie ist für eine Inszenierung praktisch die ganze Miete. Beim jüngsten Revival war Bette Midler der Star, sie spielte die Rolle ein paar Wochen nach der Premiere, ließ sich dann von ihrem "understudy" ersetzen und kommt nun nach längerer Abwesenheit wieder zurück ins Ensemble, dem sie bis Januar erhalten bleibt. Wenn Sie nun Bette Midler als gewitzte Heiratsvermittlerin sehen möchten, sollten Sie dafür sorgen, dass Ihr Konto gut gefüllt ist: Ein Ticket auf den besseren Plätzen kostet nämlich 998 Dollar plus Vorverkaufsgebühr, macht 1009 Dollar. Eintausendundneun Dollar!

Wer nicht allein ins Theater gehen und sich nicht lumpen lassen will, wird seine Begleitung natürlich nicht auf einem der günstigeren Stehplätze abstellen wollen, macht summa summarum also 2018 Dollar. Für einen Theaterbesuch! Mit Gattin oder Geliebter!! Für einen Abend!!! Für drei Stunden!!!! Haben Sie schon mal für ein dreistündiges Vergnügen mit einer - zugegeben - tollen Frau so viel Geld auf den Tisch gelegt? Die muss schon verdammt gut sein, wenn man ihretwegen den Gegenwert von zwei Monatsmieten für eine Dreizimmerwohnung innerhalb von 180 Minuten verpulvert.

Die meisten Vergleiche hinken, wagen wir trotzdem einen, und zwar auf lokaler Ebene: Mit dem, was man im Shubert Theater für eine Karte an der Kasse rüberschiebt, kann man etwa im Theater Trier zwei Spielzeit-Abos der besten Kategorie buchen und hat immer noch genügend Klimpergeld für den Pausensekt in der Tasche. Die New York Times, der wir diese Informationen entnommen haben, lässt zu dem Rekordpreis eine ihrer Leserinnen zu Wort kommen, die ihren Kulturbedarf allerdings nicht im Big Apple, sondern in ihrer neuen Heimat deckt: "Ich fühle mich regelrecht privilegiert, in einer Stadt wie Berlin zu leben", schreibt eine gewisse Kathryn Bennetts. "Hier kann man sich wirklich den Besuch eines jeden Theaters leisten. Genau das ist es, was eine Stadt so lebendig und aufregend macht."

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